Donnerstag, 20. Dezember 2012

Zu viel Zucker im Glühwein

 

Wiesbadener Kurier Stadtausgabe vom 20.12.2012, Seite 20

Von Richard Lifka
Wiesbaden . "Also, ich gehe jetzt mit Manuel und meiner Schwester Monika da hin. So ein bisschen Weihnachtsstimmung kann nicht schaden." Nadeshda hatte ihre gefütterte Winterjacke an und eine rote Pudelmütze über die dunkelbraunen Haare gestülpt. Frederic blieb ungerührt sitzen und schaute über den Rand seiner Brille. "Was ist daran weihnachtlich, wenn man sich durch Massen von Leibern quetscht, ständig angerempelt wird und die Füße plattgetreten bekommt. Abgesehen davon, dass das Gedudel immer gleicher Weihnachtsmusik schon seit Wochen aus allen Lautsprechern quillt. Nee, danke. Da lese ich lieber ein gutes Buch, trinke einen hervorragenden Bordeaux und lege das Weihnachtsoratorium auf: ,Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage` und so weiter."
Rausch für alle Sinne
"Banause und Miesepeter. Erstens ist es schön, sich unter fröhlichen Menschen zu bewegen, und zweitens ist der Sternschnuppermarkt für mich ein Meer aus Lichtern und Farben, eine Melange aus Klängen und Wohlgerüchen, ein Rausch für alle Sinne. Was heißt, wir rauschen dann mal ohne dich ab. Schönen, einsamen Abend noch, Herr Detektiv." "Pass auf, dass es kein Vollrausch wird und dein Freund dich zugedröhnt nach Hause schleppen oder schlimmer noch, in die Klinik transportieren muss." Darauf antwortete Nadeshda erst gar nicht und schwirrte ab.
Manuel fällt einfach um
Frederic war zwar von sich und seinen Fähigkeiten überzeugt, aber dass er visionäre Kräfte besaß, überraschte selbst ihn. Es waren kaum zwei Stunden vergangen, da erhielt er einen Anruf aus den Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken. Hektisch bestellte er ein Taxi und rannte kurze Zeit später die kahlen Flure des Krankenhauses entlang. Im Wartebereich vor der Notaufnahme fand er Monika. "Wo ist Nadeshda?", rief er ihr entgegen. "Sie ist mit Manuel . " Noch bevor sie den Satz beenden konnte, kam Nadeshda durch eine Glastür, weinend und sichtlich verstört. Als sie Frederic sah, warf sie sich in seine Arme und jammerte los. "Sie wissen nicht, ob er überlebt ... sie reden irgendwas von Drogen oder Ecstasy ... hat noch nie so ein Zeug ... einfach umgefallen". "Jetzt mal der Reihe nach," forderte Frederic Nadeshda auf, als er mit den beiden Frauen in der Cafeteria saß. Langsam konnten sie wieder klare Gedanken fassen, da Manuel außer Lebensgefahr war und die Ärzte Entwarnung gegeben hatten. Nadeshda erzählte: "Wir drei sind die Dotzheimer runtergeschlendert und über die Schwalbacher in die Fußgängerzone. Als wir auf den Marktplatz kamen, war es brechend voll. Deshalb entschieden wir, erst gar nicht groß rumzulaufen, sondern uns gleich an einen dieser Holztische in der Mitte des Schlossplatzes zu stellen. Von dort aus konnten wir die Bühne vor dem Rathaus einsehen. Es war schon beeindruckend, dieses Lichtermeer, der grandios geschmückte Brunnen, die über zwanzig Meter hohe Weißtanne mit ihren unzähligen Lichtern, genauso wie die in Blau und Gold gehaltenen Stände. Manuel und ich stellten uns an so einer Bude an, um Glühwein zu holen. Vor uns waren zwei junge Typen, die ziemlich lange brauchten, bis sie ihre Getränke geordert und bezahlt hatten. Dabei alberten sie rum, knufften sich gegenseitig und kicherten ununterbrochen. Manuel und ich nahmen drei Glühweine, natürlich in original Wiesbadener Tassen. Wir standen so rum, betrachteten die Menschen und plötzlich ..." Nadeshda stockte, schloss die Augen und fuhr fort: "... plötzlich rang Manuel nach Atem, griff sich an den Kopf, fiel einfach um." Frederic bat Nadeshda, alles nochmals zu erzählen. "Jede Kleinigkeit ist wichtig. Denk nach, auch du Monika." Monika starrte in ihren Kaffee.
"Nein, nichts. Außer - aber das ist unwichtig - Manuel hat sich Zucker in den Glühwein getan. Wir haben ihn noch damit aufgezogen, ,Süßmäulchen´ und so ...", "... ja, richtig", ergänzte Nadeshda, "ich habe ihn gefragt, ob er denn immer ein paar Tütchen mit sich herumtrage. `Gefunden´, hatte er lächelnd geantwortet. Hey, jetzt fällt es mir wieder ein. Es war noch am Stand. Einem dieser Typen vor uns ist etwas heruntergefallen und Manuel hat es aufgehoben. Bevor er es zurückgeben konnte, waren die beiden schon gegangen."
Nadeshda schloss erneut die Augen, versuchte jedes Detail aus ihrem Unterbewusstsein abzurufen. "Ja, oder? Doch, es waren zwei braune Zuckertütchen." "Und er hat sich den Inhalt beider in den Glühwein geschüttet?", bohrte Frederic weiter. Monika antwortete: "Nein, nur eins." Sie hatte kaum den Satz beendet, stand Feuerbach auf und eilte in Richtung Intensivstation. Zehn Minuten später kam er mit Manuels Jacke zurück. Er durchwühlte alle Taschen und fand tatsächlich ein braunes Tütchen. Vorsichtig riss er es auf und schüttete ein paar der weißen Kristalle auf seine Handfläche. "ICE!", stieß Nadeshda hervor und starrte in die fragenden Augen Feuerbachs.
Der aus Bayern stammte Glühweinverkäufer staunte nicht schlecht, als mehrere Polizeibeamte seinen Stand durchsuchten. Schnell fanden sie eine Schachtel voller brauner Zuckertütchen.
"Crystal Meth, auch ICE genannt, gilt als `Partydroge´ und ist bei jungen Leuten beliebt", erklärte Nadeshda auf dem Nachhauseweg Monika und Frederic. "Ein Teufelszeug. Nicht nur, dass es Hirnmasse abbaut, zu Psychosen und Wahnvorstellungen führt, es macht auch sehr schnell süchtig. Zerstört den ganzen Körper. Wer Crystal Meth nimmt, fühlt sich glücklich, stark und kann nächtelang durchtanzen".
Gefährliche "Süßigkeit"
Und dann zog sie das Fazit: "Bei Manuel hat das Zeug, in Verbindung mit dem Alkohol, zu einem Schock geführt. Er hätte sterben können. Kommissar Fischer erzählte mir, dass diese Droge einfach herzustellen sei. Über Tschechien käme sie nach Bayern, wo sie längst ein großes Problem ist. Unser Glühweinverkäufer hat einen neuen `Vertriebsweg´ entdeckt. Auf ein in der Szene bekanntes Stichwort hin, hat er zur Glühweintasse das entsprechende Zuckertütchen geliefert. Pech für Manuel, aber großes Glück für den Sternschnuppermarkt, dass diese beiden Typen vor lauter Euphorie zwei ihrer `Süßigkeiten´ verloren haben, der Stand geschlossen wurde und wir wieder gefahrlos einen Glühwein schlürfen können." "Wir?" "Morgen bin ich mit von der Partie. Versprochen."

Montag, 10. Dezember 2012

Mittwoch, 28. November 2012

Ein Dobermann schnüffelt mit

 

Wiesbaden . Gottseidank kann der Hund zum Schluss wieder sprechen, schreiben und zubeißen. Man konnte schon Sorge haben, dass das schöne Tier von der einen in die andere Hand der Autoren gereicht irgendwann und -wo auf der Strecke bleibt. Dabei ist Dobermann Mo doch die reizendste Erfindung der Kettenkrimi-Schreibenden unter Dostojewskis Erben.
Und Kettenkrimi-Schreiben geht so: 16 Autorinnen und Autoren, lokal verankert in Wiesbaden und im Literaturhaus-Café, wo sich einige regelmäßig als Dostojewskis Erben treffen, wollten mal wieder gemeinsam arbeiten. Und zwar alle an einem Manuskript. Aber nicht übereinander gebeugt, sondern nacheinander sitzend. Einer fängt an und gibt sein Stück weiter an den Nächsten, der es weiterdrehen muss. Eine Woche ist Zeit, dann ist nach zwei Teilen der Dritte dran, und so weiter und so fort. Den Letzten beißen dann die Hunde. In diesem Fall des "Agenten-Roulette" glücklicherweise. Tappte der Dobermann doch schon recht früh hinein in den blutigen Tatort und erschnüffelte hinterlassene Spuren. In vielen anderen der 16 Kapitel darf er schlafen - einer Hundepsyche fühlt sich nicht jeder so artverwandt wie Wolfgang Polifka (Nähe Marburg). Umso besser kennen die Ortsansässigen Wiesbaden und sein Casino. Wer sich schon nach Dostojewski nennt, spielt eben auch gern mit dessen Erbe. Und so findet die Mordtat denn hautnah überm Roulettetisch statt.
Doch es gäbe nicht die Vielzahl der Texter, wenn sich nicht im Handlungsverlauf herausstellte, dass weder der Tote der Tote, noch sein Mörder ein Mörder war. Da hat sich die Kette der Fantasie ganz schön herausfordern lassen, hinzu zu erfinden, bisher Erzähltes umzukehren, Volten und Verwicklungen einzubauen.
Verlässliche Basis bilden Lars Rieken von der Wiesbadener Kripo und Kevser Ulucay, Sicherheitsbeauftragte mit Migrationshintergrund. Dass eine Verdächtige nicht nur aus dem Osten, sondern auch aus einer früheren Beziehung zum Polizisten kommt, verdankt der Krimi Susanne Kronenberg. Jetzt müssen alle Nachschreibenden sehen, was sie draus machen. Richard Lifka eine veritable Liebesgeschichte und Bernd Köstering (Offenbach) den Weg wieder frei für eine naheliegend neue Paarbildung. Mit Hund wohlgemerkt.
Und zum Plot noch so viel: Die dunklen Kräfte drohen (woher sonst?) aus dem Osten, die groben Gestalten heißen "Silberner Toni" oder "Fettes Schwein", das Motiv ist Raffgier, zu den Verbrechen zählen Unterschlagung, Mord und Entführung, das BKA spielt keine rühmliche Rolle, und es ist die Kette der Gesamtstruktur auch als Einzelobjekt verfügbar.
Zum Abschluss des Wiesbadener Krimiherbstes, 8. Dezember, wird sie im Literaturhaus ausgelegt werden.

 

Wiesbadener Kurier Stadtausgabe vom 28.11.2012

Von Viola Bolduan

Dienstag, 27. November 2012

“Beatlemania” mit dramatischem Finale

 

Das Gemäuer der Zitadelle, an einem finsteren Novemberabend, im Nebel, - wem würde es da nicht gruselig zumute? Das richtige Ambiente also für eine Krimilesung. Freilich - wenn ein Musikredakteur wie Christian Pfarr die Stories schreibt, da geht es nicht in erster Linie um Mord und Totschlag, da werden feinere Töne angeschlagen.

„Hilfe!“ heißt das neue Buch, und wenn man auf dem Einband die „Fab Four“ über den berühmten Zebrastreifen marschieren sieht, dann weiß man auch sofort, was gemeint ist: „Help!“ Zehn Beatles-Krimis verspricht das kleine Buch. Fünf der Geschichten stammen von Richard Lifka, Schriftsteller und bekennender Beatles-Fan aus Wiesbaden, die anderen fünf von Christian Pfarr, der jetzt bei der Krimilesung auf der Zitadelle eine kleine Kostprobe gab. Dabei lässt er Paul und John, Ringo und George nicht als handelnde Personen auftreten - es geht eher um ihre Wirkung, ihr musikalisches Nachleben, - eben um das Magical Mystery. Ein Mann erinnert sich an seine Freunde, an die bewegte Hippie-Zeit und die gemeinsame „Beatlemania“ inmitten der „piefigen“ Umgebung der 60er Jahre - und was ist daraus geworden? Irgendwie und irgendwann haben sie sich doch alle angepasst. Und es wäre kein Krimi, wenn diese kleine Geschichte nicht mit einem dramatischen Finale enden würde.

Eine andere trägt den Titel „Vorgestern“, und das erinnert nicht umsonst an „Yesterday“: da hat nun der Musikredakteur seine detaillierten Kenntnisse eingebracht. Angeblich soll Paul McCartney nämlich immer behauptet haben, die Melodie sei ihm im Traum eingefallen. Und Pfarr fabuliert sich eine abenteuerliche Story zusammen, was es damit auf sich haben könnte, und dabei geht es very british zu - und zum Schluss natürlich wieder mörderisch.

Wenn der Autor zuletzt behauptet, er könne alle Texte der Beatles rückwärts aufsagen, kann man ihm das unbesehen glauben. Ganz so versiert müssen die Leser der Geschichten zum Glück nicht sein - dass „eventuelle Ähnlichkeiten“ mit bekannten Personen und Ereignissen nicht rein zufällig sind, merkt man auch so. Nur eines sollte man haben: ein Herz für die Beatles und ihre Musik. Und das ist unabhängig vom Lebensalter - auch wenn in diesen kleinen Beatles-Krimis natürlich viel „Yesterday“ steckt.

Von Rotraut Hock

http://www.allgemeine-zeitung.de/region/kultur/literatur/12628004.htm

Montag, 19. November 2012

Zeitreise ins 16. Jahrhundert

 

Durch die Fenster des Bürgersaals im Eppsteiner Rathaus schweifte der Blick über den in diffuses Licht der nebelverhangenen Straßenlaternen getauchten Ort. Als dann der gregorianische Gesang des Männerchors aus Niederjosbach begann, trat im vollbesetzten Raum erwartungsvolle Stille ein. In den letzten Ton hinein erklangen die Worte: "Es geht auch hier nicht ohne Vorrede ab... hol´s der Teufel". Da brach die Stimme ab und der Schauspieler Michael Mendl klopfte irritiert auf sein Mikrofon. Nichts, der Teufel hatte es geholt. Vom herbeigeeilten Techniker ließ er sich befummeln, zog sein Jackett aus und ergab sich in das Unvermeidliche.
Psychopath oder Ganove
Ganz der Grandseigneur, den er so oft in Filmrollen spielte, ließ er es geschehen, war die Autorität ausstrahlende Figur, der ehrenhafte Charakter. Meist verkörpert er hohe Funktionäre, Ärzte oder Offiziere und ist damit beim deutschen Film- und Fernsehpublikum bekannt und beliebt geworden. Für die Interpretation des ehemaligen Kanzlers Willy Brandt in "Im Schatten der Macht" erhielt er 2004 die "Goldene Kamera". Dass er auch anderes kann, stellt er in Dramen unter Beweis, sei es als Psychopath, Ganove oder als charmanter älterer Ehemann. Natürlich ist er mit Gastrollen an deutschen Theatern präsent, genauso wie bei Hörspielproduktionen oder in Synchronisationsstudios, wenn er amerikanischen Schauspielern seine Stimme leiht.
Nachdem die technischen Probleme behoben schienen, setzte sich Michael Mendl wieder und fing noch mal von vorne an. Er las professionell und eindringlich aus dem fünften Buch "Die Brüder Karamasow". Schon nach wenigen Minuten war das Publikum ins Sevilla des 16. Jahrhunderts versetzt, erlebte hautnah mit, wie der Großinquisitor in dem gleichnamigen Kapitel aus Dostojewskis Roman, den auf die Erde zurückgekehrten Jesus verhörte. Der schweigende Christus steht am Ende der Parabel auf und küsst den Inquisitor auf die Lippen. Daraufhin lässt dieser ihn frei, obwohl er vorhatte, Jesus auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Das regelmäßig aussetzende Mikrofon störte den Schauspieler nun nicht mehr, er war in seiner Rolle, war ganz der spanische Tyrann. Da waren solche Äußerlichkeiten ausgeblendet.
Natürlich hatte Mendl diese Geschichte nicht ohne Grund gewählt. Strahlt sie doch bis heute eine enorme Wirkung aus und sorgt noch immer, besonders in der Theologie, für Diskussionen über Rolle der Kirche. Allerdings kommen darin auch Sätze vor wie "Knechtet uns lieber, aber macht uns satt!" und zielen damit direkt auf Mendls soziales Engagement. Seit 2008 ist er der Schirmherr des "Vereins Gegen Noma" (noma = zerfressen). Eine entsetzliche Krankheit, an der jährlich über 100 000 Kinder sterben und die bei Unterernährung entsteht.

Wiesbadener Kurier Stadtausgabe vom 19.11.2012, Seite 7

Freitag, 16. November 2012

Verschwinden aus dem „Lebenszimmer“

 

KRIMIHERBST Lesung mit Friedrich Ani

Tabor Süden dränge sich ihm auf, komme stets zurück. Ohne ihn könne er seine Geschichten nicht erzählen. So der Münchner Autor Friedrich Ani, zu der Frage der Moderatorin Ruth Fühner, warum er, trotz anderslautender Beteuerung, erneut einen Kriminalroman mit dieser Hauptfigur geschrieben habe. Verschmitzt und augenzwinkernd geäußert, wie das Meiste, was Ani sagte.

Kellnerin verschwunden

Die vielen Zuhörer in der Villa Clementine ließ er spüren: Da steckt noch mehr dahinter. Ungeduldig, manchmal genervt, mit den Fingern auf der Tischplatte trommelnd, ließ er die Fragen über sich ergehen, antwortete eingeübt und wollte eigentlich nur eins, seine Texte vorlesen. Das tat er dann natürlich auch, professionell und sehr eindringlich. Sofort wurde klar, wie intensiv das Verhältnis des Autors zu seiner Hauptfigur, dem ehemaligen Polizisten Tabor Süden ist. Schnell war das Publikum in den neuen Fall „Süden und das herrliche Leben“ eingetaucht und verfolgte gespannt die ersten Ermittlungsansätze um die verschwundene Kellnerin Ilka Senner.

Das Verschwinden einer Person aus ihrem „Lebenszimmer“ und die Suche nach ihr, das ist sein Thema, das des Autors und das seines Ermittlers, der mittlerweile als Privatdetektiv arbeitet, zuständig ausschließlich für „Vermissungen“. Das Lebenszimmer sei der Raum, in den wir hineingeboren werden, in dem wir auch sterben. Nur manchmal gäbe es darin eine geheime Tür, durch die jemand unerwartet verschwindet.

Als einen völlig anderen Autor präsentierte er sich im zweiten Teil des Abends. Der mit vielen Preisen ausgezeichnete Schriftsteller ist nicht nur im Krimi-Genre zu Hause. Bühnenstücke, Erzählungen, Jugendromane, Hörspiele und Drehbücher stammen ebenso aus seiner Feder, wie Gedichte. Als er davon einige vorlas, meist aus dem Lyrikband „Mittschnitt“ veränderte sich nicht nur seine Gestik und Haltung, auch seine Stimme bekam eine andere Farbe.

Allein daran war zu erkennen, wie wichtig diese Arbeiten für ihn sind, genauso wie an der Bemerkung: „Es passiert nicht oft, dass ich zu einer Veranstaltung eingeladen werde, bei der ich gleichzeitig aus Kriminalromanen und Lyrikbüchern lesen soll.“ Aber die Lyrik gehöre ebenso zu ihm, wie seine belletristischen Texte. Der Unterschied sei lediglich, dass er sich zum Gedichteschreiben nicht zwingen könne - sie kämen zu ihm, oder auch nicht.

Charismatische Autoren wie Friedrich Ani sind es, die die literarische Szene beleben, das Publikum unterhalten, zum Nachdenken bringen und zum Widerspruch auffordern. Sicherlich bleiben viele von Anis Sätzen, ob erzählt oder gelesen, im Kopf und melden sich spätestens bei der Lektüre seiner Bücher wieder.

Wiesbadener Kurier, 16.11.12

Dienstag, 13. November 2012

Nicht immer muss der Gärtner der Mörder sein

 

12.11.2012 - WIESBADEN

KRIMINACHT Interaktives Drama mit dem Improvisationstheater „Für Garderobe keine Haftung“ / Das Publikum bereitet für das Stück „MordArt“ die Zutaten vor

Das Rezept ist stets das Gleiche. Man nehme eine Leiche, drei Verdächtige, etwas Polizei, ein bestimmtes Milieu und natürlich einen Mörder oder eine Mörderin. Noch bevor es losging, durften die, die zur Kriminacht die Buchhandlung Hugendubel bis auf den letzten Platz besetzt hatten, auf Zetteln ihre Lieblings-Mordmethoden notieren und in den „Todesarten-Eimer“ werfen.

Das Ensemble des Improvisationstheaters „Für Garderobe keine Haftung“ bereitete in Zusammenarbeit mit dem Publikum die Zutaten für das Kriminalstück „MordArt“ vor. Dass sich das Ganze in einer „Reichen-Villa“ im Nerotal abspielen sollte, war sicher den Fernsehkrimi-Erfahrungen geschuldet. Genauso wie die sozialkritische Beimischung, in Gestalt der verarmten und im Ghetto (Schelmengraben) lebenden Hip-Hop begeisterten Schwester (Claudia Stump) der vornehmen Hausherrin (Silke Siegel). Eine Abstimmung ergab, dass das Kindermädchen zu Tode kommen sollte, geköpft mit einem Samurai-Schwert, wie es das Los aus dem Eimer orakelte. Um einen weiteren Verdächtigen zu haben, musste der Getränkelieferant (Frederik Malsy) sich zur festgelegten Tatzeit am Tatort aufhalten. Er versorgte die Villa der von Mondscheins nicht nur mit Getränken, er war - wie die lesbische Hausherrin - in das Kindermädchen verliebt.

Der Täter wird ausgelost

Wer der Mörder sein sollte, wurde heimlich ausgelost - es war das große Rätsel, das es zu lösen galt. Nachdem Zuschauer noch „Indizien“ beigesteuert hatten, Regenschirm, Haarspray und ein psychologisches Handbuch, war die Mixtur zubereitet und das Drama konnte seinen Lauf nehmen.

Es lag nun an den Akteuren, eine spannende Krimistory daraus zu machen. Spannend geriet sie nicht, aber humorvoll, witzig und meist unterhaltsam. Besonders Frederik Malsy brillierte mit schlagfertigen Einfällen, spontanen Aktionen und spaßigen Wortspielen. Die Auflösung erfolgte im klassischen Stile einer Agatha Christie. Dreimal musste das Kindermädchen sterben, köstlich gespielt von Stefanie Petereit, immer von einem anderen Verdächtigen geköpft. Der Getränkehändler war es, stellte sich wenig überraschend heraus. Eine Besucherin, die wie viele richtig getippt hatte, wurde mit einem Preis belohnt. Ein runder Abend, mit wenig Krimi zwar, dafür mit umso mehr Klamauk, bei dem das Publikum sich hervorragend amüsierte.

siehe auch

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Ein Roman wird wirklich gefährlich / Dichterviertel

 

Wiesbadener Kurier Stadtausgabe vom 10.10.2012, Seite 18

Eine kleine Holzbühne vor dem Altar. Darauf ein runder Tisch, ein Mikrofon, ein Glas und eine Karaffe mit Kamillentee. Lauwarm musste er sein. So wollte er es. Die Kirchenbänke waren dicht gefüllt. Eine erwartungsfrohe Spannung schwebte durch die Lutherkirche.
Zur gleichen Zeit versuchte der berühmte deutsche Dichter, sich Erleichterung zu verschaffen. Er bewegte die Hände, drehte die Gelenke in den Fesseln. Es half nichts. Absurd, dachte er trotz der Schmerzen und schüttelte seinen Kopf. Der Enkel einer seiner Romanfiguren hatte ihn entführt, gegen seinen Willen in einen Kellerraum geschleift und geknebelt.
Ein Albtraum? Doch wann würde er erwachen? Er kniff die Augen zusammen, um den Mann zu erkennen. Er konnte nur ahnen, woher die Stimme kam, die ihn, wie aus dem Nichts, anklagte.
"Du hast ihn in die Öffentlichkeit gezerrt, ihm Lächerlichkeiten angedichtet, ihn zum Gespött der Nation gemacht. Damit wurden auch wir, meine Eltern und ich, zur Lachnummer, zu den Verrückten, den Finks, die die hessische Regierung vor den Kadi schleifte. Wie oft saß ich alleine im Schulhof der Gutenbergschule, habe mich richtiggehend versteckt, um den Hänseleien meiner Mitschüler zu entkommen."
Der Stuhl bleibt leer
Die Kirchenbesucher wurden unruhig. Vor zwanzig Minuten sollte die Lesung anfangen, doch noch immer war der Stuhl vor dem Altar leer und der Kamillentee kalt geworden. Feuerbach, der neben Nadeshda in der zweiten Reihe sitzend, schon bereute, sich von ihr zu diesem Besuch überreden zu lassen, schmerzte das Hinterteil. Diese Holzbänke waren nur für Sünder, denen ein bisschen Pein half, ihre Sünden zu bereuen. Feuerbach empfand es als Quälerei. Mit Worten wie "ein literarisches Großereignis" oder "eine Ikone der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur" hatte Nadeshda ihn mit ins Dichterviertel geschleift.
Warum diese Lesung ausgerechnet in einer Kirche stattfand, fragte er sie. "Ich vermute, dass es mit seinem Roman "Finks Krieg" zusammenhängt, dem Ereignisse zugrunde liegen, die sich in Wiesbaden zugetragen haben. Die Hauptfigur ist ein hoher Regierungsbeamter, der die Abteilung leitete, die sich um die Beziehungen der Landesregierung zu den Kirchen kümmerte. Dieser Beamte hatte einen bürokratischen Krieg gegen die damalige Regierung geführt. Er war seines Erachtens zu Unrecht degradiert und verleumdet worden. Besonders die Kirchenfürsten spielten dabei keine rühmliche Rolle ..." Nadeshda unterbrach ihren Redeschwall, da in diesem Moment ein Mann vor die Zuhörer trat.
"Was wollen Sie von mir?", krächzte der Autor. "Ihr Großvater selbst hat mir die Unterlagen der Prozesse überlassen. Er wollte, dass sein Leidensweg niedergeschrieben wurde, und zwar von mir." Der alte Mann brach ab, seine Stimme versagte, schwer atmend fiel sein Kopf nach vorne. Sein Peiniger trat aus dem Dunkel hervor und tippte ihm mit dem Zeigefinger gegen die Brust. "Ganz einfach. Sie schreiben ein neues Buch. Sie erzählen, was "Finks Krieg" für die anderen Familienmitglieder bedeutete, unseren Leidensweg, unsere Qualen und was das aus unserem Leben gemacht hat ... dann lasse ich sie frei." Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ der Mann den Raum und kam kurze Zeit später wieder zurück. Wortlos löste er die Fesseln und zwang den Autor mitzukommen.
Der Weg war kurz, schon nach ein paar Metern betraten sie einen weiteren Raum. Dort gab es eine Liege, einen Schreibtisch, einen Stuhl und eine chemische Toilette. Auf dem Schreibtisch stand ein Computer, daneben ein Stapel beschriebener Blätter. "Ich habe alles festgehalten. Sie sichten es und machen daraus einen Roman. Je schneller Sie schreiben, um so eher kommen Sie hier wieder raus." Mit diesen Worten ging der Fremde und schloss von außen ab.
Der Vorsitzende der Kirchengemeinde trat ab und hinterließ ein ratloses Publikum. Der Schriftsteller war nicht gekommen, die Veranstaltung ausgefallen.
Feuerbach wäre ein schlechter Detektiv, wenn er nicht bemerkt hätte, dass etwas nicht stimmte. Nicht nur, wie der Redner herumeierte, war merkwürdig gewesen. Viel alarmierender waren die Polizeibeamten, die am Seiteneingang erschienen. Darunter auch Hauptkommissar Fischer, den er gut kannte. Während die enttäuschten Besucher die Kirche verließen, steuerten Frederic und Nadeshda direkt auf die Polizisten zu.
"Alles, was wir wissen ist, dass Martin Walser im Hotel von einem Gast angesprochen wurde und zusammen mit ihm gegangen ist. Der Portier beschrieb uns diesen Fremden, dessen Name Ralf Fink sei. Zwischen 20 und 30 Jahre alt.
In Wiesbaden gibt es keinen mit diesem Namen, der altersmäßig hinkäme." Es war Fischer anzusehen, unter welchem Druck er stand. Die Presse lauerte bereits vor dem Kirchenportal, morgen war der verschwundene Autor der Aufmacher schlechthin. Der Polizeipräsident würde ihm gehörig Dampf machen.
Nadeshda zupfte Feuerbach am Ärmel und signalisierte ihm, ihr zu folgen. Sie lockte ihn über die Mosbacher Straße hinüber zum Gutenbergplatz, wo ihre Vespa stand. "Was ist ...?" Nadeshda unterbrach ihn. "Ist dir nichts aufgefallen? Nein? Du scheinst mir kein bisschen zuzuhören! Fink! Klingelt`s? Nein? Roman!"
Feuerbach schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. "Klar. Aber hilft uns das?" Feuerbach dachte nach, und Nadeshda tippte auf ihrem tragbaren Telefon herum. Innerhalb von Sekunden hatte sie, google sei Dank, herausgefunden, wer das reale Vorbild für die Romanfigur Stefan Fink war. Eine weitere Suche im Online-Telefonbuch ergab, dass ein Mann mit diesem Nachnamen in der Brentanostraße wohnte. "Das ist gleich hier um die Ecke", rief Nadeshda, die Frederic den Helm zuwarf und sich auf den Motorroller schwang.
"Hilfe!"
An der Wohnadresse angekommen, lief Feuerbach zum Eingang, drückte auf den Klingelknopf. Keine Reaktion. Ratlos rannten sie zum Nachbarhaus. Frederic blieb abrupt stehen und bedeutete Nadeshda ruhig zu sein. Dann sprang er über das niedrige Eisentor, sie folgte ihm. Nun hörte sie es ebenfalls.
Undeutlich, aber im Näherkommen deutlicher werdend: "Hilfe!".
Wenig später wimmelte es von Polizeifahrzeugen in der Brentanostraße. Der Dichter, dem ein Sanitäter eine graue Wolldecke umgelegt hatte, stand vor Frederic und Nadeshda, schüttelte beiden die Hände, dankbar und gerührt.

Dienstag, 2. Oktober 2012

Noch Fragen Kienzle ...?

Explosive Märchenwelt

Wiesbadener Kurier Stadtausgabe vom 01.10.2012, Seite 29

Von Richard Lifka
Geisenheim. Die Sicht auf den Nahen Osten sei in der westlichen Welt immer noch vernebelt, sei ein Bild, das sich aus einer Märchensammlung zusammensetze. Seit Beginn der Orient-Rezeption vor mehr als zweihundert Jahren prägten die Geschichten von "1001 Nacht" unsere Einstellung zum "Morgenland". So das eine Fazit der letzten, sehr gelungenen Veranstaltung im Rahmen des diesjährigen Rheingau-Literatur-Festivals in der Geisenheimer Sektkellerei Bardong.
Stark übertriebene Angst
Die zweite Schlussfolgerung des Gastes Ulrich Kienzle, klang dann schon wie ein Appell an die 240 Zuhörer: Die Angst vor der arabischen Welt sei stark übertrieben. So ernst dies klingt, so täuscht es doch über den Verlauf der Lesung. Wie schlagfertig und präzise der aus Schwaben stammende und im Rheingau lebende Journalist, Publizist und Nahostexperte Ulrich Kienzle ist, weiß man spätestens seit den geistreichen und provozierenden Wortgefechten im Politikmagazin "Frontal", die er sich mit seinem "politischen Gegner" Bodo H. Hauser lieferte.
Zusammen mit dem Moderator des Abends und künstlerischem Leiter des Festivals kam es zu einem ähnlichen Austausch im umgekehrten Verhältnis: "Noch Fragen Boehncke? Ja, Kienzle ..." Und Kienzle beantwortete die Fragen des zu Hochform auflaufenden Heiner Boehncke. Ernst, witzig, sarkastisch, ironisch, dem jeweiligen Thema entsprechend angepasst, kurz und knapp oder eingehend dozierend.
Gerade dieser ständige Wechsel zwischen heiterer Gelöstheit beim Besprechen Kienzles schwäbischer Herkunft, seines beruflichen Werdegangs und seiner konzentrierter Nachdenklichkeit bei Ausführungen über Ursachen, Hintergründe und Wirkungen der verwirrenden und unverständlichen Geschehnisse im Nahen Osten, schlug die Zuhörer in ihren Bann.
Die drei Textstellen, die Kienzle aus dem Buch "Abschied von 1001 Nacht" las, gaben einen kleinen Einblick seines Journalistenlebens im Orient. Deutlich wurde, wie das unüberschaubare Geflecht aus religiösen, nationalistischen und rassistischen Grundeinstellungen der Menschen von Machthabern ausgenutzt wird, um die Massen je nach ihren Bedürfnissen zu manipulieren. Die Renaissance der Religionen ist, was Kienzle als das große Unheil bezeichnet. Gerade durch die neuen demokratischen Strukturen sei der Islam zur treibenden Kraft im Nahen Osten geworden. Wobei es natürlich "den" Islam gar nicht gäbe, genauso wenig wie die Schiiten, die Sunniten, die Sufisten, die Alewiten und was noch so an religiösen Strömungen, Gruppen und Untergruppen existiere. Kienzles drittes Fazit daraus war die Empfehlung an uns und vor allem unsere Politiker: mehr Gelassenheit gegenüber dem Islam, denn der bekämpfe sich vorwiegend selbst.

Dienstag, 25. September 2012

Geistreich, mit rasantem Tempo

 

Wiesbadener Kurier Stadtausgabe vom 25.09.2012, Seite 19

Von Richard Lifka
Eltville. Roter Salon im Weingut Balthasar Ress in Hattenheim. Die 20. Weinlese, wie stets gut besucht, in charmanter Atmosphäre. Heiner Boehncke wies bei der Begrüßung auf das Jubiläumsjahr hin und schilderte, wie es dazu kam, fünf Jahre nach Gründung des Rheingau Musik Festivals, eine ähnlich gestaltete Veranstaltung im literarischen Bereich zu etablieren. Dies vor allem in Hinblick auf den Moderator des Abends Thomas Hocke. Nicht nur als Mitbegründer und langjährigem künstlerischen Leiter sei er dem Rheingau Literatur Festival verbunden, sondern auch als Mentor und Jurymitglied des Mainzer Stadtschreiber Stipendiums. Schon fast traditionell wird der amtierende Stadtschreiber oder die amtierende Stadtschreiberin bei einer literarischen Matinée während der "Weinlese" vorgestellt.
In diesem Jahr ist das Kathrin Röggla, die 1971 in Salzburg geboren wurde und seit 1992 in Berlin lebt. Wie schwer die mit vielen Preisen und Auszeichnungen dekorierte Schriftstellerin literarisch einzuordnen und biografisch zu fassen ist, wurde in den Gesprächsphasen der Veranstaltung deutlich. Thomas Hocke versuchte ihre Werke mit ihren Lebensdaten zu verbinden, und über entsprechende Fragen dem Publikum einen Überblick zu verschaffen, was sich jedoch als sehr schwierig erwies, da es immer ein aber, ein vielleicht oder ein auch nicht gab. Zu vielfältig und breit gefächert ist das Oeuvre der Autorin. Schon bei der Beschreibung ihrer literarischen Anfänge scheitert die Einordnung und wird mit "Radioarbeiten" beschrieben, wozu sicherlich Hörspiele, akustische Installationen und Netzradio gehören. Genauso wie "Theatertexte" und "Prosatexte". Sie selbst erklärt dies damit, dass sie häufig medienübergreifend arbeite, mit dokumentarischen Verfahren, den Mitteln der Komik und Ironie, experimentell und sprachkritisch sowie mit der Mündlichkeit der Schrift.
Präzise beobachtet
Wirkte Kathrin Röggla zunächst unsicher und zurückhaltend (sie schaute nur den Moderator an, riskierte keinen Blick ins Publikum, auch nicht bei der Lesung der ersten beiden Texte), so zeigte sie sich nach der Pause lockerer und dem Publikum mehr zugewandt. Wie gut sie schreiben, formulieren und präzise beobachten kann, verdeutlichten die drei Texte, die sie in rasantem Tempo vorlas. Im Text "Tangenten" beschreibt sie das aus enttäuschten Erwartungen entstehende Unbehagen auf der Fahrt zu einem Flughafen, in "Schweigeminute"monologisiert sie geistreich-humorvoll über Schweigeminuten in Konferenzräumen nach Attentaten und macht sich in "Diagnosefront" Gedanken über den Sinn und Unsinn von Online-Foren, in denen monatelang über ein und dasselbe Thema gechattet wird.

Samstag, 15. September 2012

Alex Capus stellt sein neues Buch im Wiesbadener Literaturhaus vor

 

15.09.2012 – WIESBADEN Von Richard Lifka

Die Schweiz hat keine Nationalliteratur - sie hat Nationalliteraturen, stellte der Generalkonsul fest und betonte die Bedeutung der drei Hauptsprachen seines Landes für die entsprechenden „Dachländer“ Frankreich, Italien und Deutschland. Um dies zu verdeutlichen, startete das Wiesbadener Literaturhaus in Zusammenarbeit mit der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia die Reihe „Schweizer Literaten zu Gast in Wiesbaden“.

Geisterstädte in den USA

Den Reigen eröffnete der in der Normandie geborene und seit seinem sechsten Lebensjahr in der Schweiz lebende Schriftsteller Alex Capus. Wahrlich kein Unbekannter, der vor allem mit seinen Romanen „Léon und Louise“ und „Eine Frage der Zeit“ auch hierzulande große Erfolge feierte. Nun ist er mit seinem neuen Buch „Skidoo - Meine Reise durch die Geisterstädte des Wilden Westens“ unterwegs. Dabei handele es sich eigentlich um ein versehentlich gemachtes Buch, einen Reisebericht, den er und der Verlag aus einer Laune heraus verfasst und veröffentlicht hätten, verriet Capus augenzwinkernd den erstaunten Zuhörern.

Dann stellte er klar, dass er nicht vorlesen würde. Stattdessen lehnte er sich gemütlich zurück, schaltete die Leselampe aus und begann zu erzählen. Zunächst von seinem Wohnort, einer Kleinstadt im Kanton Solothurn und den Geschichten, die er dort fand und aufschrieb. Die Beschreibung seines Hauses, seiner Familie und den Oltener Bürgern geriet unmerklich in einen Exkurs über Realität und Fiktion, Dichtung und Wahrheit. Je genauer er reale Personen übernehmen würde, um so weniger würden sie von denen identifiziert, wohingegen sich Oltener in reinen Fantasiefiguren sofort wiedererkannten, was ihn zu dem Resümee veranlasste: „Menschen erkennen sich nicht“. Wie geschickt er diesen Ausflug in seine Poetik dem folgenden Reisebericht durch den ehemaligen „Wilden Westen“ voranstellte, zeigte sich nach und nach, wenn er von den faktischen Gegebenheiten amerikanischer Geisterstädte erzählte und dem Neuen, dem literarischen Werk, das daraus wurde. Ob er nun von dem Atomphysiker Felix Bloch berichtete und dessen moralischem Dilemma, sich geweigert zu haben, die Atombombe mitzubauen, obwohl er als deutschstämmiger Jude ja daran interessiert gewesen sein musste, eine Waffe gegen den Holocaust zu entwickeln.

Oder wenn er von Desperados erzählte, deren Leben viel langweiliger war, als in Büchern und Filmen geschildert, und wie es dazu kam, dass nach der Entdeckung einer riesigen Silbermine aus den gesuchten Postkutschenräubern angesehene Bürger wurden. Stets sind die Erzählungen witzig und stets schürte er Zweifel über deren Fiktion und Faktizität. Zumal er immer betonte, so sei es wirklich gewesen. Ein wunderbarer Abend mit einem begnadeten Erzähler, dessen Konzept des Nicht-Lesens aufging, wie die Schlange am Büchertisch bewies.

Artikel unter: http://www.wiesbadener-kurier.de/region/kultur/literatur/12421472.htm

Dienstag, 4. September 2012

Doppelkopf und andere Spiele

LESUNG Krimiautor Richard Lifka bei Hugendubel

Mitten in der Nacht: ein Schuss fällt. In der Buchhandlung Hugendubel zucken die Besucher erschrocken zusammen. Dabei ist der Wiesbadener Autor Richard Lifka gerade voll in seinem Element, denn schließlich handelt es sich um eine „interaktive Lesung“, wie Klaus Krückemeyer, Reporter beim Hessischen Rundfunk vorab verraten hat. Und so wird auch aus der Lesung rasch ein „Mini-Hörspiel“, das Theatermusiker Timo Willecke geräuschvoll mit Windböen und Schritten auf dem Kiesweg in Szene setzt. Lifkas neuer Kriminalroman „Doppelkopf“ führt Detektiv Ninus Hagen auf mörderischen 283 Seiten durch Wiesbaden und die Region.

Erst die Regeln

Doch zuerst einmal erklärt Lifka, der selbst gerne Doppelkopf spielt, die Spielregeln. „Zwei gegen zwei“, lautet die Devise, wobei zu Beginn des Kartenspiels keiner seinen Partner kennt. Kurzweilige Wortspielereien mit Kontra, Re, Fuchs, Herz- und Kreuzdame fliegen dem Zuhörer nur so um die Ohren, wenn die Romanfiguren sich in Hagens Stammlokal „La Chirona“ in der Goldgasse zur flotten Doppelkopfrunde treffen.

Dort taucht plötzlich auch KK auf, der real Klaus Krückemeyer heißt, und vom Autor kurzerhand in die Romanhandlung eingeschmuggelt worden ist. Wie schon in Lifkas vorangegangenem Kriminalroman „Sonnenkönig“ basiert auch „Doppelkopf“ auf einem lokalen, authentischen Fall. Eine Meldung im Wiesbadener Kurier über die Entführung einer Bankiersgattin hat den freien Journalisten seinerzeit zu dem Thema inspiriert. „Eine Mischung aus Realität und Kreativität“, wie Lifka erläutert. Daher lebt auch Protagonist Alexander de Rascalère, Direktor der Allgemeinen Wiesbadener Bank, im Engenhahner Wildpark, „wo reiche und noble Menschen wohnen“.

Mit hochgekrempelten Ärmeln blättert Lifka die Seiten zu „Sex & Crime an schillernden Orten“ weiter. Die Zuhörer kichern laut, indes Bankier de Rascalère seine quietschende Geliebte „keuchend und schwitzend zum Höhepunkt vögelt“, um anschließend unter vorgehaltener Pistole „mit schwabbeligem Hintern und verschrumpeltem Hodensack“, so richtig „Scheiße auszusehen“. Nein, ein Blatt nimmt Lifka wirklich nicht vor den Mund, allerdings erst nachdem er sich rückversichert hat, dass keine Jugendlichen unter den Zuhörern sitzen.

Zwischendurch spielt Willecke Gitarre, Krückemeyer animiert das Publikum und singt mit voller Inbrunst „Viva Espana“. Interaktiv eben. „Das war jetzt aber nicht wirklich geplant“, stellt Lokalmatador Lifka amüsiert fest, und versetzt die Buchhandlung direkt ins „La Chirona“. Dort überfällt auch die Romanfiguren das Magenknurren, sie rufen nach der Küche. Damit fällt das Stichwort: Die Mitarbeiter von Hugendubel fahren als krönenden Abschluss Rotwein und Tapas für das Publikum auf. Und indes die Gäste aufgespießte Oliven und Hackfleischbällchen in den Mund schieben, signiert Richard Lifka sichtlich entspannt schon mal die ersten Bücher.

Von Sabine Posse

04.09.2012 – Wiesbadener Kurier

Donnerstag, 30. August 2012

Es geht um mehr als um Lösegeld

 

Richard Lifka präsentiert heute Wiesbaden-Krimi bei Hugendubel

 

Richard Lifka präsentiert heute um 20.30 Uhr (Einlass ab 20 Uhr) seinen neuen Kriminalroman “Doppelkopf” in der Buchhandlung Hugendubel, Kirchgasse/Luisenstraße.
Zusammen mit dem Schauspieler Klaus Krückemeyer gestaltet der Autor eine interaktive Lesung. Richard Lifkas neuer Roman spielt in Wiesbaden und führt den Leser auf knapp 300 Seiten  in die Welt des Scheins und der Scheine. Während der Detektiv in einem bundesweiten Versicherungsbetrug ermittelt, wird die Ehefrau eines Wiesbadener Bankdirektors unter mysteriösen Umständen entführt. Was zunächst wie eine gescheiterte Erpressung aussieht, entpuppt sich als ein ausgeklügelter Plan, hinter dem mächtige Kräfte die Fäden ziehen. Es geht um wesentlich mehr, als um läppische zwei Millionen Euro Lösegeld. Wie beim Kartenspiel Doppelkopf stellt sich erst nach und nach heraus, wer zusammenspielt.

www.lifka.de, www.hugendubel.de

Publiziert am 30. August 2012 von sensorWI

Dienstag, 28. August 2012

Gudrun Landgrebe liest in Eltville aus Émile Zolas „Herrn Chabres Kur“

 

28.08.2012 - ELTVILLE

Von Richard Lifka

„Herr Chabre haderte mit dem Schicksal, weil seiner Ehe der Kindersegen versagt blieb.“ So beginnt Émile Zolas heitere Geschichte, die unter dem Titel „Herrn Chabres Kur“ erschienen ist. Damit dem Eltviller Publikum sofort klar war, worum es darin geht, hatten die Veranstalter den Untertitel „Das Aphrodisiakum“ herbei bemüht. Eine literarisch-musikalische Matinee mit frivolem Hauch sollte es werden. Die bekannte Film- und Fernsehschauspielerin Gudrun Landgrebe war dazu die richtige Wahl, da ihr, seit ihrem ersten großen Erfolg als Domina in „Die flambierte Frau“, das Etikett der erotischen Verführerin anhängt.

Professionell abgeklärt trug sie den Text im Stehen vor und trotzte dabei allen Widrigkeiten. Sei es den aufbrausenden Sturmböen, die Bäume bogen und Blätter und Mikrofone rauschen ließen, tieffliegenden Flugzeugen oder einsetzendem Regen. Es war mutig von den Veranstaltern, die Lesung im Hof des Langwerth von Simmern’schen Weinguts durchzuführen und nicht zu verlegen. Die meisten der 300 Gäste waren gut vorbereitet. Mit Regenjacke, Schirm und Wolldeckegewappnet lauschten sie Landgrebe fasziniert. Freilich hätte man sich die eine oder andere Ansprache, einen kleinen Kommentar oder eine nicht eingeübte Reaktion der Schauspielerin gewünscht. Selbst während der musikalischen Einlagen saß sie regungslos.

Sinnlich lockende Töne

War das Wetter auch unangenehm, so passten die Harfentöne, die quirlig gezupften Melodien, mal dunkel drohend, mal übermütig hüpfend und oft sinnlich lockend wunderbar. Gespielt wurde dieses beeindruckende Instrument von der wohl begehrtesten tschechischen Harfenistin ihrer Generation Katerina Englichová.

Zurück zu dem Problem des Herrn Chabre, dem vermögenden ehemaligen Getreidehändler. Dem guten Rat seines Arztes folgend reiste er mit seiner schönen zweiundzwanzigjährigen Gattin Stella in den kleinen Badeort Piriac, um sich einer Kur zu unterziehen. Die Kur bestand darin, dass Monsieur täglich so viele Schalentiere verspeiste, wie es ihm möglich war, also Muscheln, Austern, Krebse und Langusten. Wie es sich gehört, gab es an diesem Ort den wunderschönen Jüngling Hektor, der sich, wie nicht anders zu erwarten war, in Stella verliebte und sie verführte.

Chabre merkte von all dem nicht - oder wollte er es nicht merken? Die Kur war jedenfalls in jeder Hinsicht erfolgreich. „Neun Monate nach ihrer Rückkehr von Piriac genas die schöne Frau Chabre eines Knaben ...“

Mittwoch, 22. August 2012

“Ninus Hagen war empört” Warum ein Krimiautor und sein Ermittler noch immer gerne rauchen

 

lifka_richard_foto22.08.2012 - WIESBADEN

Autor Richard Lifka hat einen neuen Wiesbaden-Krimi geschrieben. Wir berichteten über „Doppelkopf“ als Fortsetzung eines authentischen lokalen Falls in „Sonnenkönig“ (2010). Vor seiner Lesung am 30. August bei Hugendubel nimmt Richard Lifka Stellung zu Thema und den Figuren seines Buches.

Herr Lifka, muss man das Spiel Doppelkopf kennen, um Ihren Krimi zu verstehen?

Nein und ja. Natürlich versteht man die Geschichte, auch ohne die Regeln des Spiels zu kennen. Wer allerdings selbst Doppelkopf spielt, für den ergibt sich ein weiteres Vergnügen.

Wie kamen Sie darauf, das Spielmuster Doppelkopf auf die Dramaturgie eines Romans zu übertragen?

Ich spiele Doppelkopf schon viele Jahre. Was mich daran reizt, ist das Detektivische: nach und nach herauszubekommen, wer spielt mit wem, wer ist dein Freund, wer dein Gegner. Wie im echten Leben gibt es dabei Enttäuschungen, weil man auf die falsche Karte gesetzt hat, entpuppt sich der vermeintliche Freund als Feind und umgekehrt. Also die beste Grundlage für einen Krimi.

„Doppelkopf“ verfolgt den Wiesbadener Fall um den inzwischen verurteilten früheren Aegis-Media-Manager Aleksander Ruzicka „Sonnenkönig“ in zweiter Runde. Gab es nach dem ersten Buch Reaktionen aus dem Gefängnis?

Keine, die bis zu mir gedrungen sind, außer ein paar Episoden mit den Rechtsanwälten der Media AG. Allerdings muss ich sagen, dass der Fall Ruzicka, genauso wie die realen Hintergründe in „Doppelkopf“, nur einige Parallelen mit der Wirklichkeit haben. Reale Ereignisse sind lediglich Anstöße für mich, weitergehende oder auch neue Geschichten zu fantasieren.

Ihre Figurenvorlage Ruzicka ist als Chefredakteur der Gefangenenzeitung in der JVA Eberstadt ja eine Art Kollege geworden - was hätte Ihr Ermittler Ninus Hagen dazu gesagt?

Als Ninus Hagen davon erfuhr, war er empört. Denn, wenn ein Ganove in so eine Position kommt, hat er logischerweise auch Vergünstigungen. Ruzicka selbst sagte vor ein paar Wochen in einem Interview, dass er sich in der Justizvollzugsanstalt Eberstadt sehr wohl fühle und es ihm an nichts mangle. Was man mit solchen Vergünstigungen anfangen könnte, erfährt Hagen sehr schmerzlich.

Warum darf Ihre Hauptfigur gesellschaftspolitisch inkorrekt weiterhin rauchen?

Vielleicht, weil sein Erschaffer selbst gerne immer noch raucht, oder Hagen als spätgeborener 68er es nicht lassen kann, sich gegen unsinnige gesellschaftliche Normen zu wehren.

Ninus Hagen wohnt in der Neugasse und hält sich gern in der Umgebung auf. Was macht die Atmosphäre dieses Innenstadtviertels aus?

Ich denke es ist ein Mix aus Nostalgie, Gedenken früherer Zeiten, wo es wirklich ein Innenstadtleben gab, aus Bequemlichkeit, nicht für jeden Espresso an der Bar zehn Kilometer weit fahren zu müssen und der Faszination der erhaltenen Altstadtstadthäuser, ihren grandiosen Fassaden und den großzügigen Räumen.

Wenn die Wiesbadener Gesellschaft Ihren Roman liest - welches Bild bekommt sie von sich?

Ich denke, dass die Personen, die im Roman auftauchen, viel von Wiesbadens Facettenreichtum widerspiegeln. Auf der eine Seite die mondänen, von Geld, Macht- und Prestigegier geprägten Menschen, auf der anderen die zahllosen Nationalitäten, die hier zusammentreffen. Ganz davon abgesehen, dass es noch lebenslange Freundschaften gibt, die in einer überschaubaren Stadt wie Wiesbaden vielleicht leichter zu pflegen sind als in München, Hamburg oder Frankfurt.

Ihr Autorenblick auf Paare ist äußerst skeptisch - was machen die in Ihrem Buch falsch?

Finden Sie? Ich habe mir so große Mühe gegeben, die Liebenden zusammenzubringen. Aber Sie haben Recht. Ich finde es in unserer Zeit sehr schwer für zwei Menschen, sich ein gemeinsames Leben vorzustellen, durch alle Höhen und Tiefen. Zu verlockend klingt das Versprechen von Freiheit, individueller Selbstverwirklichung, totalem Erlebnis und was dem modernen Menschen noch so alles geboten wird. Da ist wenig Platz und Zeit, sich auf andere einzulassen, sich der Zweisamkeit zuliebe einzuschränken.

Frauen wiederum können hier mehr als Kaffeekochen - was kennzeichnet deren Stärke?

Ich bin schon immer davon überzeugt, dass Frauen mehr können, als Haushalt und Kindererziehen, dass Frauen, wenn sie die Möglichkeit haben, stark, sehr stark sein können, ohne dabei ihre Weiblichkeit zu verleugnen.

Warum muss ein Krimi mit Toten enden?

Von der Geschlechterfrage direkt zur Mord und Totschlag! Er muss nicht mit Toten enden, aber die eine oder andere Leiche braucht es schon. Die Tötung eines Menschen ist das schlimmste Verbrechen, das es gibt. Es ist eine Extremsituation für alle. Eine nicht mehr rückgängig zu machende Tat. Es wirft alle Beteiligten aus der Bahn. In dieser Ausnahmesituation lasse ich meine Figuren handeln, hier kommt vieles an die Oberfläche, werden Gefühle, Triebe und Instinkte freigesetzt.

Wird zu Ihrer Lesung bei Hugendubel am 30.8. eine Romanfigur auftauchen?

Ja. Sogar doppelt. Als Romanfigur und als real existierender Mensch. Ich meine Klaus Krückemeyer, der nicht nur mit mir zusammen die Lesung gestalten wird, sondern es auch irgendwie geschafft hat, sich in die „Doppelkopf“-Handlung zu schmuggeln.

Das Interview führte Viola Bolduan.

Samstag, 18. August 2012


Richard Lifka Neuer Krimi „Doppelkopf“


Auch wer nicht Karten spielt, freut sich an Wiesbadens krimineller Energie. Natürlich nur, sofern sie fiktiv bleibt, also zwischen zwei Buchdeckeln. Und da lebt in Wiesbaden einer, der sich auskennt und das lokale Krimi-Lesepublikum seit Langem mit erfundenen skandalösen Umtrieben und auf der Gegenseite sympathischen Ermittler-Skurrilitäten versorgt.
Erfunden? Ganz aus der Luft gegriffen ist der Stoff der Geschichten eben nicht. Autor Richard Lifka hatte in „Sonnenkönig“, seinem ersten Kriminalroman in eigener Regie (nach verschiedenen mit Partnern) 2010 den Wiesbadener Prozess gegen die Agentur Aegis Media und dessen Manager Aleksander Ruzicka zum Thema genommen. „Ich versuche immer, Wirklichkeit und Fiktion zu verknüpfen“, hatte der 57-Jährige kommentiert. Dieser „Sonnenkönig“ freilich bot noch mehr: neue Figuren als ermittelnde Kommissare und Privatdetektive. Ein Ninus Hagen aus der Neugasse hatte den alten Schnüffler Frederic Feuerbach einfach abgehängt.
Feuerbachs Nachspiel
So fit und verliebt der Neue auch sein mag - Feuerbach hat nach seinen drei Wiesbadener Fällen unbedingt ein Nachspiel verdient. Deshalb ermittelt der Alte jetzt auch weiter - exklusiv für diese Zeitung in Lifkas monatlichem „Viertelkrimi“. Und kommt höchstens in Besprechungen wie diesen dem neuen Helden in die Quere. Der wird‘s verschmerzen - denn er selbst trainiert ja auch die Fortsetzung.
Ninus Hagen also, Barbesucher, Schlagzeug-Spieler und unbeirrbarer Raucher, folgt einer weiteren Drehung des vorangegangenen „Rolozko“-Falls. Und steht wieder mitten im Team mit Kommissar Wanninger, dem Kaffee-Experten, Lena, der unerschrockenen Lesbe, und Carla, die sich am Ende des letzten Buches auf die richtige, nämlich seine Seite geschlagen hatte.
Wiesbadener Gesellschaft
Der alte Fall geht weiter, weil der inhaftierte Oberschurke noch immer draußen seine Handlanger und ihm verpflichtete Stützen in der Wiesbadener Gesellschaft hat.
Es fängt anscheinend harmlos an - mit einem Autodiebstahl bei noch verdeckten Karten. Wie auf sie rein spieltechnisch reagiert werden sollte, wird einleitend erklärt. Doppelkopf-Unkundige verstehen den folgenden Prolog besser - als einen Hilfeschrei von unbekannt. Dann aber geht‘s chronologisch voran drei Wochen lang von einem Silvestertag bis zum Showdown am 23. Januar. In dieser Zeit werden geografisch Räume von Wiesbaden in den Rheingau und nach Frankfurt vermessen. London bleibt des Liebespaars privates Zwischenspiel; eine Bootsfahrt auf dem Mittelmeer betrügerische und tödliche Angelegenheit der Gegenseite. Die Verknüpfung von „Wirklichkeit und Fiktion“ neigt sich dem Letzteren zu.
Entführung, Erpressung, Explosion - Wiesbadens kriminelle Energie hat Fantasie. Das Ermittlerteam pflegt indes seine Schrulligkeiten, sitzt am liebsten in der Goldgasse und smalltalkt mit Schmackes. Seine bunten Charaktere und deren frotzelnder Umgangston gehören zum Markantesten dieses Buches, dessen Lektüre leicht fällt - ob auf dem Balkon oder auf Reisen. Nur: Doppelkopf sollte man schon spielen können.

Wiesbadener Kurier 03.08.12

Freitag, 18. Mai 2012

Nach fünf Minuten fällt ein Schuss

RL

 

Wiesbadener Kurier Stadtausgabe vom 18.05.2012, Seite 18

Von Viola Bolduan
Wiesbaden . Wer kennt das Letzebuerger Literaturhaus in Mersch? Die Luxemburger. Sie nennen es CNL, weil sie ja auch Französisch können: also sich gern im Centre national de littérature aufhalten. Jetzt aber waren auch Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus Wiesbaden und anderen hessischen Städten zu Besuch und lernten es kennen. "Sehr erfolgreich, sehr schön" sei ihr dreitägiger Aufenthalt gewesen, berichtet Richard Lifka nach Rückkehr der zwölf Autoren aus Luxemburg. "Krimi DeLuxe 2012" haben die luxemburgischen Kollegen das Treffen genannt. Sie nämlich luden die Deutschen ins Literaturhaus und -archiv von Luxemburg in Luxemburg (wir berichteten). Aus Wiesbaden folgten Christiane Geldmacher, Susanne Kronenberg, Alexander Pfeiffer, Karsten Eichner und Richard Lifka der Einladung.

Letzenbuerger schreiben still


Sie wussten schon: Die Luxemburger, die Ende der 90er Jahre für sich den Letzebuerger Krimi entdeckten - aber wenige außer ihnen - wollten an Erfahrungen der Wiesbadener teilhaben. Denn hier gibt es eine unter dem Namen "Dostojewskis Erben" organisierte Autorengruppe. In Luxemburg, so Richard Lifka, schreibt man noch meist still vor sich hin und kennt seine Mitstreiter nicht. Das soll sich künftig ändern. Die Letzenbuerger wollen sich nun gleichfalls zusammentun. Dass sie und ihr Literaturhaus organisieren können, haben sie für die Besuchsgruppe vergangene Woche unter Beweis gestellt. "Alles hat supergut funktioniert", erzählt Lifka. In Workshops haben die Deutschen über den Buchmarkt, Autorengruppen und Konstruktionsarten einer Kriminalgeschichte referiert. Die Gastgeber revanchierten sich mit einem Empfang in der deutschen Botschaft. Und weil das Luxemburger Land sehr überschaubar ist und sich fast alle untereinander kennen, standen die Textarbeiter dabei locker mit Ministern zusammen.
Und auch die öffentliche Lesung aller Beteiligten war für die Gäste gewöhnungsbedürftig. Was die Luxemburger - wieder in ihr Französisch fallend - "Contre-la-montre" nennen, heißt: Nach fünf Minuten Sprechzeit fällt ein Schuss. Und wenn auch mitten im Satz - der Nächste ist dran. Ob nun auf Deutsch oder Letzenbuergisch. Im Unterschied zu den Gästen aus Rhein-Main können die Luxemburger beides und darüber hinaus eben auch noch Französisch.
Da die Krimikollegen jetzt mit Netzwerken beginnen und die Wiesbadener "nette Menschen" in Luxemburg getroffen haben, werden Dostojewskis Erben ihre neuen Freunde im nächsten Jahr nach Wiesbaden einladen. Schließlich gibt es auch bei uns ein Literaturhaus.

Dienstag, 17. April 2012

Dostojewskis Erben

Aber auch die heimische Literaturszene findet in der Villa Clementine ein Zuhause. Seit mittlerweile mehr als zwei Jahren existiert das regelmäßige Autorentreffen im Literaturhaus-Café, das ebenso unbescheiden wie augenzwinkernd unter dem Namen „Dostojewskis Erben“ firmiert. „Grundidee war es, ein regelmäßiges Treffen zu schaffen, an dem sich literarisch arbeitende Menschen aus Wiesbaden und erweiterter Umgebung ungezwungen austauschen können“, erzählt Gründervater Richard Lifka. Seit Dezember 2009 gibt es diese Veranstaltung regelmäßig an jedem zweiten Dienstag im Monat. Dass auch hier das Krimigenre ganz besonders präsent ist, hat seinen Grund. „Ins Leben gerufen wurde der erste Abend von den Wiesbadener Mitgliedern des ‚Syndikats’, der Vereinigung der deutschsprachigen Krimiautoren“, erklärt die Geburtshelferin Susanne Kronenberg. „Gewünscht war aber von Anfang an, dass die Treffen jedem offen stehen sollten, der schreibt und sich der Literatur verbunden fühlt. Wenn sich daraus reizvolle Projekte ergeben, umso schöner.“ So werden im Mai zwanzig von Dostojewskis Erben unter dem Motto „Krimi DeLuxe“ nach Luxemburg reisen. Die Mission: Literarische Kontakte zu knüpfen und Deutsche Autoren in Luxemburg und Luxemburger Autoren in Deutschland bekannter zu machen.
Von Fjodor, Clementine und ihren Erben – Literatur in Wiesbaden, Wiesbaden in der Literatur | sensor Magazin – Wiesbaden

Samstag, 24. März 2012

Wiesbadener treffen auf "Bicher"

AUSTAUSCH Autorengruppe fährt nach Luxemburg / Gemeinsame Tagung über Krimi-Szene in beiden Ländern
Vom 24.03.2012

Wiesbaden (red). Autoren und Autorinnen im Literaturhaus Wiesbaden, die sich "Dostojewskis Erben" nennen, sind im Mai von ihren Kollegen nach Luxemburg eingeladen.

Rund 20 Teilnehmer der Reise treffen zum ersten Mal Schriftsteller/innen aus dem benachbarten Großherzogtum, um Kontakte zu knüpfen und deutsche Autoren in Luxemburg und umgekehrt Luxemburger Autoren in Deutschland bekannter zu machen. Am 10. Mai beginnt das Treffen mit Führung durch Luxemburg Stadt und Besuch der Cité Bibliothèque. Am Abend richtet die Deutsche Botschaft Luxemburg im alten Kloster Abbaye de Neumünster einen Empfang für die Autoren aus beiden Ländern aus.

Die Teilnehmer bekommen Gelegenheit die Größen der Literaturszene vor Ort kennenzulernen, Geschichten auszutauschen und schon die ersten wichtigen Wörter ("Bicher", "Editeuren" oder "Doudegriewer") auf Lëtzebuergisch zu lernen. Krimi- und Nicht-Krimiautoren, Verleger und Lektoren gehen am zweiten Tag auf Einladung des Luxemburger Institutes für Literatur zu einem gemeinsamen Workshop, in dem die Szenen und Märkte Deutschlands und Luxemburgs vorgestellt und Fachthemen besprochen werden.

Wichtige Fragen des Treffens lauten: Hat Luxemburg überhaupt eine Krimi-Szene, und wie steht es um die Krimi-Preise für Autoren/innen in Deutschland? Und - funktionieren Krimis in beiden Ländern auch ohne Leiche?

Neugierig sind die Teilnehmer auch auf die unterschiedlichen Bedingungen im Buchhandel und wie elektronische Medien für die literarische Arbeit genutzt werden können.

Samstag, 3. März 2012

Auch Romane müssen gären

Lesung Thomas Lehr gibt Einblick in aktuelles Projekt
Vom 03.03.2012
Von Richard Lifka

Oestrich-Winkel . In diesem Jahr feiert das Rheingau Literatur Festival sein 20-jähriges Bestehen. Wie immer im Herbst, zur Zeit der Weinlese. Wenn die Winzer die Ernte ihrer Arbeit nach Hause tragen, präsentieren Autoren die Früchte ihres Schaffens an vielen Orten im Rheingau. Wie die hervorragendsten Weine prämiert werden, so erhalten auch die besten Schreiber und Schreiberinnen ihre Auszeichnung: den Rheingau Literatur Preis in Form von 111 Flaschen eben jenes Weines.

Werk erscheint erst 2014

Jetzt, am Ende des Winters, wenn der Gärprozess abgeschlossen ist, ruht der Jungwein und beginnt zu reifen. Was liegt näher, als diesen Herstellungsprozess auch einmal mit einem entstehenden Werk durchzuspielen. Dazu hatte der künstlerische Leiter und Moderator dieses Festivals Heiner Boehncke einen ehemaligen Preisträger zu einer "LeseProbe" eingeladen. Der Schriftsteller Thomas Lehr, der 1999 für seinen Roman "Nabokovs Katze" ausgezeichnet wurde und dessen aktuelles Werk "September. Fata Morgana" für kontroverses Aufsehen im literarischen Betrieb sorgt, ließ sich darauf ein und stellte seinen im Entstehen begriffenen Roman "Schlafende Sonne" dem zahlreichen Publikum in der Kelterhalle in Oestrich vor. Ein mutiges Experiment: Sind doch erst etwa 80 Seiten niedergeschrieben, und das Buch wird nicht vor 2014 fertiggestellt sein. Ein schwieriges Unterfangen, für den Autor, der den "Gärungsprozess" zwar nicht unterbricht, aber ihn doch schon öffentlicher Kritik preisgibt; für das Publikum, das einen Text hört, den es nicht nachlesen kann, dessen Kontext ihm nicht klar ist. Dass dies einigen zu viel war und sie in der Pause gingen, war schade. Denn einen derartig tiefen Einblick in die Arbeits- und Vorgehensweise eines Autors erhält man selten. Natürlich sind Lehrs Texte keine leichte Kost. Schwierige Satzkonstruktionen bei ständig wechselnden Handlungsorten und Erzählperspektiven fordern hohe Konzentration und die Bereitschaft, den Spaß an kunstvoller Sprache und Textmelodie dem Handlungsverständnis vorzuziehen.

Jeder Raum ein neuer Maler

Über den Inhalt äußerte sich Thomas Lehr nach der Pause. Die Geschichte spiele an einem Tag im Jahre 2011, erzählt würde sie aus der weiblichen Perspektive Milenas. Der Autor führe seine Figuren durch eine Bilderausstellung, jeder neue Raum ein anderer Maler (Lehr: eventuell leitmotivisch verwendet), ein neues Kapitel. Dabei werde nicht nur das Leben der vier Hauptprotagonisten erzählt, sondern auch 100 Jahre deutsche Geschichte: von 1914 bis 2014. Eine unvergleichliche Veranstaltung die allen Beteiligten Lust machte auf das vollendete Buch im übernächsten Jahr und Lust auf die "WeinLese" in diesem Herbst.

Donnerstag, 1. März 2012

"Pfrische Fifferlinge" garen über "gludernder Lot"

Die Linguistin Ines Busch-Lauer spricht im Literaturhaus Wiesbaden über Versprecher, Verhörer und Verschreiber - trägt aber wenig zu deren Verständnis bei
Vom 01.03.2012
Von Richard Lifka

Wer kennt sie nicht, die Versprecher, Verhörer und Verschreiber. Fast täglich amüsieren wir uns über "gludernde Lot" anstatt "lodernde Glut" (Edmund Stoiber), "der weiße Neger Wumbaba" anstelle "der weiße Nebel wunderbar" (aus "Der Mond ist aufgegangen") oder "pfrische Fifferlinge". Ein Thema, das natürlich auch für die Gesellschaft für deutsche Sprache von Interesse ist, und so hatte die GfdS die Linguistin Prof. Dr. Ines Busch-Lauer ins Literaturhaus Villa Clementine geladen. Die an der Westsächsischen Hochschule Zwickau lehrende Wissenschaftlerin begann ihren Vortrag mit Beispielen von Radiomitschnitten und versuchte, die Pannen in Kategorien einzuordnen. Bei Versprechern handele es sich um Erscheinungen, für die Fehlleistungen der Sprachproduktion verantwortlich gemacht werden. Bemerkbar machten sie sich in Auslassung, Einfügung, Ersetzung oder Austausch von Lauten, Wörtern oder Teilen davon oder durch die Kontamination von Wörtern oder Syntagmen.

Ein Verhörer sei ein unabsichtlich falsch verstandener Textteil. Beispielsweise aus Gedichten oder Liedern, die von Muttersprachlern in ihrer eigenen Sprache falsch verstanden würden (Mondegreen). Der gleiche Vorgang wird hingegen, wenn Wörter einer fremden Sprache als gleichklingende Wörter der eigenen Sprache interpretiert werden, mit Soramimi bezeichnet. Bestes Beispiel hierfür sei "Agathe Bauer" statt "I´ve got the power" aus dem Song "The Power" von Snap!. Bei dem Thema "Verschreiber" wurden die Definitionen schwieriger, da hier viele Ursachen eine Rolle spielten. Sei es aus Zeitmangel (in den Medien), aus Unwissenheit oder Unsicherheit (alte/ neue Rechtschreibung) aber auch aus der Übernahme fremdsprachlicher Wendungen und Regeln (denglisch, Fachterminologie).

Eine Stunde lang prasselte auf die zahlreichen Zuhörereine Power-Point-Präsentation aus wissenschaftlichen Teilaspekten, akustischen und bildlichen Beispielen, Statistiken und versuchter Interaktivität ein. Im Eiltempo führte Busch-Lauer durch die Themen ohne Pause, ohne Reflexion. Ein Hinterfragen, Einordnen oder in Beziehung setzen der Fehlleistungen blieb aus. Als ein Zuhörer nach Ursachen von Versprechern und Verschreibern fragte, wurde er auf das zuvor abgespielte Radiointerview mit der Sprachwissenschaftlerin Helen Leuninger verwiesen.

Freitag, 3. Februar 2012

Dann sag halt Butterblume

LITERATURHAUS Eva Mattes liest aus ihrer Autobiografie / Viele Höhen und Tiefen

 

03.02.2012 - WIESBADEN

Von Richard Lifka

Die Schauspielerin Eva Mattes ist spätestens seit ihrer Rolle als Tatort-Kommissarin einem breiten Publikum bekannt. Seit 2002 ermittelt sie als Klara Blum am Bodensee. Doch ihren Ruhm erwarb sie sich schon viel früher, gilt sie doch als eine der wichtigsten Darstellerinnen des Neuen Deutschen Films und ist ebenfalls an allen großen deutschsprachigen Bühnen als Theaterschauspielerin bekannt.

Die mit großen Auszeichnungen geehrte Österreicherin, vom Filmband in Gold bis hin zum Deutschen Filmpreis, arbeitete aber auch als Synchronsprecherin (Lassie, Pipi Langstrumpf) und als Sprecherin in vielen Hörspielen und Hörbüchern. Letzteres war wohl der Grund, sie zum 11. hr2-hörfest nach Wiesbaden einzuladen.

Natürlich war der Andrang groß, das Literaturhaus bis auf den letzten Platz besetzt, von Presse, Funk und Fernsehen das Ereignis digital festgehalten. Dass ein Mensch, der seit seinem zehnten Lebensjahr im Film- und Theatergeschäft ist und mit Künstlern wie Peter Zadek, Rainer Werner Fassbinder oder Werner Herzog, um nur ein paar zu nennen, zusammenarbeitete, etwas zu erzählen hat, leuchtet ein. Eva Mattes hat ihre Erinnerungen 2011 veröffentlicht.

„Wir können nicht alle wie Berta sein“, so der Titel der Biografie. Wer ist Berta, fragt sich da der Leser und Mattes erklärte es: Es ist ein Zitat aus Ibsens Schauspiel „Die Wildente“, das sie und zufälligerweise auch der Schauspieler Ulrich Wildgruber verwendete. Berta gilt als Symbol für jemanden, der sein Leben meistert. Höhen und Tiefen im Berufs- und Privatleben bekamen die Besucher zu hören und wurden oft mit großem Erstaunen, befreitem Lachen oder verstehendem Nicken aufgenommen.

Besonders die Geschichten rund um skandalträchtige Produktionen sind sehr publikumswirksam. Sei es der erste deutsche Fernsehskandal mit „Wildwechsel“ oder die legendäre Inszenierung am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg 1976 mit Ulrich Wildgruber als Othello und Eva Mattes als Desdemona. Nicht nur die schwarze Farbe, die sich auf Desdemonas lediglich mit einem Bikini bedeckten Körper übertrug, ließ das Publikum und die gesamte Theaterwelt aufschreien. Zur Hälfte verzückt, zur Hälfte empört.

Genauso zwiespältig wurde 1970 der Film „o.k.“ aufgenommen. Michael Verhoevens Antikriegsfilm, in dem die Vergewaltigung und Tötung des Mädchens Phan Ti Mao (Eva Mattes) durch Soldaten brutalst dargestellt wird, und letztendlich dazu führte, dass die Jury der Berlinale zurücktrat.

Wie persönlich und offen Mattes ihr Leben erzählt, zeigen allerdings die kleinen, weniger spektakulären Erwähnungen wie zum Beispiel die Benennung ihrer Knallphobie. Sie führte dazu, dass Schussszenen stets ohne Platzpatronen gedreht und später nachvertont werden mussten und der Regisseur nicht mehr das Wort „Schuss“ rufen durfte. Um aus diesem Dilemma herauszukommen, schlug ein Kollege dem Regisseur vor: „Dann sag doch halt Butterblume“. Was er von dann auch tat.

Freitag, 20. Januar 2012

Schriftsteller Andreas Maier las aus „Das Haus“

 

20.01.2012 - WIESBADEN

Von Richard Lifka

Andreas Maier ist in Wiesbaden wahrlich kein Unbekannter. Nicht nur, dass er im Wintersemester 2007/2008 Poetikdozent an der Hochschule RheinMain war, stellt er auch in regelmäßigen Abständen seine Werke in der Landeshauptstadt vor. Tingeln, nennt er es. Ein Autor schreibt einen Roman und dann „tingelt“ er ihn ab. Er reist von Stadt zu Stadt und liest daraus, gibt Interviews und beantwortet Fragen.

Nicht genügend Plätze

Wie offen und ehrlich er die Fragen der Moderatorin und Literaturwissenschaftlerin Ina Hartwig beantwortete, war schon sehr beeindruckend für die vielen Gäste im Literaturhaus. Die Neugier auf sein neues Buch war so groß, dass es nicht genügend Plätze gab. Schließlich ging es um den zweiten Teil des unter dem Arbeitstitel angelegten Großwerks „Ortsumgehung“. Elf Titel insgesamt sind geplant. Nach dem ersten „Das Zimmer“ nun „Das Haus“. Gewappnet mit einem gefüllten Glas Rotwein, das sich Maier wohl inszeniert nachträglich noch selbst besorgt hatte, begann er zu lesen. Zunächst jedoch nicht aus dem angekündigten Buch. Er trug eine Kolumne vor, die er für die Literaturzeitung „Volltext“ geschrieben hatte.

Ein witzig-ironischer Text über tingelnde Schriftsteller, die massenhaft Bücher schreiben und verkaufen, die aber keiner kennt. Verglichen beispielsweise mit Berühmtheiten wie Rex Gildo, seien Autoren wie Martin Walser, Thomas Bernhard oder er selbst in der Öffentlichkeit unbekannt; niemand würde sie auf der Straße erkennen, nie bekämen sie Titelseiten in der Bildzeitung.

Der kleine Andy litt

Nach diesem Lamento über die armen Poeten ging der in Bad Nauheim geborene Schriftsteller direkt in „Das Haus“. Er stellte den kleinen „Andy“ vor, wie der seine Kindheit erlebte, sich weigerte zu sprechen, unter der Abwesenheit der Eltern litt und es gleichzeitig genoss, in Ruhe gelassen zu werden. Ein Junge, der die Zwänge der Schule hasste und deshalb oft fehlte, für den das verpflichtend gemeinsame Abendessen eine tägliche Drangsal darstellte. Ein Kind, das nur Glück empfand, wenn es einsam und alleine im Keller seinen Fantasien nachgehen konnte. Seine Geschwister seien genauso problematische Menschen gewesen.

Traumatische Kindheit

Behutsam ironisch und in liebevollen Detailbeschreibungen entsteht das Bild einer traumatischen Kindheit, das sich aus Erinnertem, Erzähltem, Gehörtem und Vermutetem zusammensetzt. Das klingt alles sehr autobiografisch und wollte auch so von Ina Hartwig beim anschließenden Gespräch herausgearbeitet werden. Dagegen wehrte sich Andreas Maier zu Recht und dezidiert. „Andy“ sei eine Kunstfigur, der Roman Fiktion, in die natürlich des Autors Lebenserfahrungen und -erinnerungen einfließen, bewusst oder unbewusst.

Lust auf „Die Straße“

In jedem Falle war es eine unterhaltsame Veranstaltung mit spannenden und eindrucksvollen Einblicken in den zweiten Teil der „Ortsumgehung“, Maiers Panoptikum unserer Welt. Ein Abend der Lust machte, nicht nur das Buch zu lesen, sondern das Bedürfnis hinterließ zu wissen, wie es in „Die Straße“ wohl weitergeht.

Mittwoch, 4. Januar 2012

Auch „Micky Maus“ sammelt mit

 

30.12.2011 - WIESBADEN

Von Eva Wodarz-Eichner

KURIER-AKTION I Viele Helfer unterstützen „ihnen leuchtet ein Licht“anonym / Firmen und Vereine engagiert

Es sind unsere Leser, von denen die Aktion „ihnen leuchtet ein Licht“ lebt: Von den vielen, vielen Einzelspenden, deren stetes Eintreffen in den im Kurier regelmäßig abgedruckten Spendenbilanzen verfolgt werden kann - viele haben es sich zur alljährlichen Tradition gemacht, die Kurier-Aktion zur Weihnachtszeit zu unterstützen und damit dazu beizutragen, die Not direkt vor der Haustür zu lindern …

… Gruseln für den guten Zweck

Die Wiesbadener Krimiautoren Christiane Geldmacher, Hauke Schlueter, Dietmar Schubert, Karsten Eichner, Eva Lirot, Richard Lifka, Bernd Köstering und Susanne Kronenberg haben mit ihrer Krimi-Lesung unter dem Motto „Mord und Spiele“ in der Buchhandlung Hugendubel gemeinsam mit der Theatergruppe „restrisiko“ für einen spannenden und unterhaltsamen Abend gesorgt. Der Erlös von über 300 Euro fließt ebenfalls in den Spendentopf von „ihnen leuchtet ein Licht“…