Freitag, 20. Januar 2012

Schriftsteller Andreas Maier las aus „Das Haus“

 

20.01.2012 - WIESBADEN

Von Richard Lifka

Andreas Maier ist in Wiesbaden wahrlich kein Unbekannter. Nicht nur, dass er im Wintersemester 2007/2008 Poetikdozent an der Hochschule RheinMain war, stellt er auch in regelmäßigen Abständen seine Werke in der Landeshauptstadt vor. Tingeln, nennt er es. Ein Autor schreibt einen Roman und dann „tingelt“ er ihn ab. Er reist von Stadt zu Stadt und liest daraus, gibt Interviews und beantwortet Fragen.

Nicht genügend Plätze

Wie offen und ehrlich er die Fragen der Moderatorin und Literaturwissenschaftlerin Ina Hartwig beantwortete, war schon sehr beeindruckend für die vielen Gäste im Literaturhaus. Die Neugier auf sein neues Buch war so groß, dass es nicht genügend Plätze gab. Schließlich ging es um den zweiten Teil des unter dem Arbeitstitel angelegten Großwerks „Ortsumgehung“. Elf Titel insgesamt sind geplant. Nach dem ersten „Das Zimmer“ nun „Das Haus“. Gewappnet mit einem gefüllten Glas Rotwein, das sich Maier wohl inszeniert nachträglich noch selbst besorgt hatte, begann er zu lesen. Zunächst jedoch nicht aus dem angekündigten Buch. Er trug eine Kolumne vor, die er für die Literaturzeitung „Volltext“ geschrieben hatte.

Ein witzig-ironischer Text über tingelnde Schriftsteller, die massenhaft Bücher schreiben und verkaufen, die aber keiner kennt. Verglichen beispielsweise mit Berühmtheiten wie Rex Gildo, seien Autoren wie Martin Walser, Thomas Bernhard oder er selbst in der Öffentlichkeit unbekannt; niemand würde sie auf der Straße erkennen, nie bekämen sie Titelseiten in der Bildzeitung.

Der kleine Andy litt

Nach diesem Lamento über die armen Poeten ging der in Bad Nauheim geborene Schriftsteller direkt in „Das Haus“. Er stellte den kleinen „Andy“ vor, wie der seine Kindheit erlebte, sich weigerte zu sprechen, unter der Abwesenheit der Eltern litt und es gleichzeitig genoss, in Ruhe gelassen zu werden. Ein Junge, der die Zwänge der Schule hasste und deshalb oft fehlte, für den das verpflichtend gemeinsame Abendessen eine tägliche Drangsal darstellte. Ein Kind, das nur Glück empfand, wenn es einsam und alleine im Keller seinen Fantasien nachgehen konnte. Seine Geschwister seien genauso problematische Menschen gewesen.

Traumatische Kindheit

Behutsam ironisch und in liebevollen Detailbeschreibungen entsteht das Bild einer traumatischen Kindheit, das sich aus Erinnertem, Erzähltem, Gehörtem und Vermutetem zusammensetzt. Das klingt alles sehr autobiografisch und wollte auch so von Ina Hartwig beim anschließenden Gespräch herausgearbeitet werden. Dagegen wehrte sich Andreas Maier zu Recht und dezidiert. „Andy“ sei eine Kunstfigur, der Roman Fiktion, in die natürlich des Autors Lebenserfahrungen und -erinnerungen einfließen, bewusst oder unbewusst.

Lust auf „Die Straße“

In jedem Falle war es eine unterhaltsame Veranstaltung mit spannenden und eindrucksvollen Einblicken in den zweiten Teil der „Ortsumgehung“, Maiers Panoptikum unserer Welt. Ein Abend der Lust machte, nicht nur das Buch zu lesen, sondern das Bedürfnis hinterließ zu wissen, wie es in „Die Straße“ wohl weitergeht.