Freitag, 11. September 2015

"Sprachrohr" der Opfer

Wiesbaden . Bis auf den letzten Platz war die Villa Clementine besetzt, und für diejenigen, die keinen freien Stuhl mehr gefunden hatten, wurde der Ton ins Literaturhaus-Café übertragen: Die Auschwitz-Überlebende Trude Simonsohn erzählt aus ihrem Leben und stellt mit der Sozialwissenschaftlerin Elisabeth Abendroth ihr neues Buch vor: "Noch ein Glück".

Völlig unaufgeregt

Die Veranstaltung, eine Kooperation von "Aktives Museum Spiegelgasse für Deutsch-Jüdische Geschichte", dem Kulturamt und der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung, erweckte manchmal den Anschein, ein Kreis von Freunden und Kennern der Lebensgeschichte der Zeitzeugin habe sich getroffen.

In stoischer Ruhe saß die 94-jährige Trude Simonsohn auf dem Podium des Wiesbadener Literaturhauses und erzählte aus ihrem Leben. Völlig unaufgeregt und routiniert schildert die in Mähren (heute Tschechische Republik) geborene Jüdin die Zeit von der Verhaftung 1942, bis zur Befreiung aus dem Konzentrationslager Merzdorf, einem Außenlager des KZ Groß-Rosen. Nach ihrer Verhaftung hatte sie zunächst sechs Monate in einer Todeszelle verbracht, bevor sie ins Ghetto Theresienstadt verschleppt und von dort dann nach Auschwitz deportiert wurde.

Sie habe viele "Chancen" gehabt, tot zu sein, sagte sie und erzählte dabei von Begegnungen mit Menschen, die ihr halfen, nicht nur Auschwitz, sondern die gesamte Nazizeit zu überleben. Wie und warum sie überlebte und was es braucht, damit solche Verbrechen nicht mehr geschehen würden, möchte sie seit vielen Jahren den Menschen zurufen. Das sei sie den Millionen Toten schuldig. Für sie spreche sie, sei ihr Sprachrohr.

Das macht die in Frankfurt lebende "Zeugin der großen politischen Verwerfungen im 20. Jahrhundert" nun schon seit den 70er Jahren. Unermüdlich reist sie durchs Land und schildert, vor allem Schülern, ihre schrecklichen Erlebnisse. Damit nichts vergessen wird.

Und genau das sei auch der Grund, warum sie zusammen mit der Sozialwissenschaftlerin Elisabeth Abendroth, die mit auf der Bühne saß, ein Buch geschrieben habe. "Noch ein Glück" ist der Titel dieser Erinnerungen. Es sei wichtig, diese aufzuschreiben, betonte Elisabeth Abendroth, denn nur die Überlebenden des Holocaust könnten berichten, wie es wirklich war.



Wiesbadener Kurier Stadtausgabe vom 11.09.2015, Seite 20


Von Richard Lifka

Freitag, 4. September 2015

Hobby: Bestsellerautor

Presseclub: Dieter Zimmer spricht über den Erfolg seines Romans

"Für' Groschen Brause"

WIESBADEN. Nicht ohne Stolz bemerkte der ehemalige, aber noch immer bekannte Fernsehjournalist Dieter Zimmer, dass sein erster Roman über ein halbes Jahr lang in den Top Ten der Spiegel Bestsellerliste gestanden habe, rund 1,8 Millionen Exemplare davon verkauft worden seien. Ach ja, das Buch wurde auch verfilmt, Dieter Zimmer schrieb das Drehbuch und erhielt dafür den Jakob-Kaiser-Preis.


1980 erschienen

Die Rede ist von dem 1980 erschienenen, autobiografischen Roman "Für´n Groschen Brause". Aber, so der in Leipzig geborene Journalist, Schreiben sei immer nur ein Hobby gewesen. Zunächst etwas zurückhaltend, dann aber immer aufgeräumter, berichtete der ehemalige Studioredakteur der "heute"-Nachrichten, wie er, nachdem sein zweites Buch "Alles in Butter" auch erfolgreich gewesen war und sein vierter Roman "Kalifornisches Quartett" ebenfalls verfilmt wurde, überlegt habe, sich als freier Autor ganz dem Schreiben zu widmen. Die Entscheidung, sein gesichertes Einkommen doch lieber als Journalist beim ZDF zu behalten, sei gefallen, als ihm der damalige Vorsitzende des deutschen Schriftstellerverbands das 400 Personen starke Mitgliederverzeichnis gezeigt und ihn darauf hingewiesen habe, wie viele davon einmal sehr erfolgreich gewesen und nun Sozialhilfeempfänger seien.

Das Publikum in den Räumen des Wiesbadener Presseclubs, der in Kooperation mit dem "Förderverein Wiesbadener Literaturhaus" Dieter Zimmer eingeladen hatte, folgte seinen Ausführungen konzentriert, gespannt und hätte sicher gerne noch länger zugehört, wäre die Zeit nicht wie im Fluge vergangen. Ein wenig Unterstatement in Zimmers Bemerkungen war allerdings unverkennbar.

Anfangs abgelehnt

Bestseller würden nicht von Autoren geschrieben, sondern von Verlagen, Presse und Buchhandel gemacht. Dass sein erster Roman, der übrigens zunächst von den vielen Verlagen abgelehnt wurde, so erfolgreich war, sei Glück, mehreren Zufällen und zeitlichen Stimmungen zu verdanken.

Zwischen Zimmers Schilderungen las der ebenfalls aus dem Fernsehen bekannte Journalist und Rechtsanwalt Bernhard Töpper Passagen aus "Für´n Groschen Brause". Sehr anschaulich und dennoch der historischen Genauigkeit verhaftet, wurde die Flucht des 13-jährigen Thomas zusammen mit seiner Mutter nach Westberlin geschildert.

Ist der Roman, der die Flucht von täglich mehr als 4000 Menschen in die junge Bundesrepublik beschreibt, mit all den Problemen der Aufnahme und Eingliederung auch mehr als 35 Jahre alt, so schwang doch ein Bezug zur Gegenwart unterschwellig mit.

Wiesbadener Kurier Rheingau vom 04.09.2015, Seite 18