Mittwoch, 22. August 2012

“Ninus Hagen war empört” Warum ein Krimiautor und sein Ermittler noch immer gerne rauchen

 

lifka_richard_foto22.08.2012 - WIESBADEN

Autor Richard Lifka hat einen neuen Wiesbaden-Krimi geschrieben. Wir berichteten über „Doppelkopf“ als Fortsetzung eines authentischen lokalen Falls in „Sonnenkönig“ (2010). Vor seiner Lesung am 30. August bei Hugendubel nimmt Richard Lifka Stellung zu Thema und den Figuren seines Buches.

Herr Lifka, muss man das Spiel Doppelkopf kennen, um Ihren Krimi zu verstehen?

Nein und ja. Natürlich versteht man die Geschichte, auch ohne die Regeln des Spiels zu kennen. Wer allerdings selbst Doppelkopf spielt, für den ergibt sich ein weiteres Vergnügen.

Wie kamen Sie darauf, das Spielmuster Doppelkopf auf die Dramaturgie eines Romans zu übertragen?

Ich spiele Doppelkopf schon viele Jahre. Was mich daran reizt, ist das Detektivische: nach und nach herauszubekommen, wer spielt mit wem, wer ist dein Freund, wer dein Gegner. Wie im echten Leben gibt es dabei Enttäuschungen, weil man auf die falsche Karte gesetzt hat, entpuppt sich der vermeintliche Freund als Feind und umgekehrt. Also die beste Grundlage für einen Krimi.

„Doppelkopf“ verfolgt den Wiesbadener Fall um den inzwischen verurteilten früheren Aegis-Media-Manager Aleksander Ruzicka „Sonnenkönig“ in zweiter Runde. Gab es nach dem ersten Buch Reaktionen aus dem Gefängnis?

Keine, die bis zu mir gedrungen sind, außer ein paar Episoden mit den Rechtsanwälten der Media AG. Allerdings muss ich sagen, dass der Fall Ruzicka, genauso wie die realen Hintergründe in „Doppelkopf“, nur einige Parallelen mit der Wirklichkeit haben. Reale Ereignisse sind lediglich Anstöße für mich, weitergehende oder auch neue Geschichten zu fantasieren.

Ihre Figurenvorlage Ruzicka ist als Chefredakteur der Gefangenenzeitung in der JVA Eberstadt ja eine Art Kollege geworden - was hätte Ihr Ermittler Ninus Hagen dazu gesagt?

Als Ninus Hagen davon erfuhr, war er empört. Denn, wenn ein Ganove in so eine Position kommt, hat er logischerweise auch Vergünstigungen. Ruzicka selbst sagte vor ein paar Wochen in einem Interview, dass er sich in der Justizvollzugsanstalt Eberstadt sehr wohl fühle und es ihm an nichts mangle. Was man mit solchen Vergünstigungen anfangen könnte, erfährt Hagen sehr schmerzlich.

Warum darf Ihre Hauptfigur gesellschaftspolitisch inkorrekt weiterhin rauchen?

Vielleicht, weil sein Erschaffer selbst gerne immer noch raucht, oder Hagen als spätgeborener 68er es nicht lassen kann, sich gegen unsinnige gesellschaftliche Normen zu wehren.

Ninus Hagen wohnt in der Neugasse und hält sich gern in der Umgebung auf. Was macht die Atmosphäre dieses Innenstadtviertels aus?

Ich denke es ist ein Mix aus Nostalgie, Gedenken früherer Zeiten, wo es wirklich ein Innenstadtleben gab, aus Bequemlichkeit, nicht für jeden Espresso an der Bar zehn Kilometer weit fahren zu müssen und der Faszination der erhaltenen Altstadtstadthäuser, ihren grandiosen Fassaden und den großzügigen Räumen.

Wenn die Wiesbadener Gesellschaft Ihren Roman liest - welches Bild bekommt sie von sich?

Ich denke, dass die Personen, die im Roman auftauchen, viel von Wiesbadens Facettenreichtum widerspiegeln. Auf der eine Seite die mondänen, von Geld, Macht- und Prestigegier geprägten Menschen, auf der anderen die zahllosen Nationalitäten, die hier zusammentreffen. Ganz davon abgesehen, dass es noch lebenslange Freundschaften gibt, die in einer überschaubaren Stadt wie Wiesbaden vielleicht leichter zu pflegen sind als in München, Hamburg oder Frankfurt.

Ihr Autorenblick auf Paare ist äußerst skeptisch - was machen die in Ihrem Buch falsch?

Finden Sie? Ich habe mir so große Mühe gegeben, die Liebenden zusammenzubringen. Aber Sie haben Recht. Ich finde es in unserer Zeit sehr schwer für zwei Menschen, sich ein gemeinsames Leben vorzustellen, durch alle Höhen und Tiefen. Zu verlockend klingt das Versprechen von Freiheit, individueller Selbstverwirklichung, totalem Erlebnis und was dem modernen Menschen noch so alles geboten wird. Da ist wenig Platz und Zeit, sich auf andere einzulassen, sich der Zweisamkeit zuliebe einzuschränken.

Frauen wiederum können hier mehr als Kaffeekochen - was kennzeichnet deren Stärke?

Ich bin schon immer davon überzeugt, dass Frauen mehr können, als Haushalt und Kindererziehen, dass Frauen, wenn sie die Möglichkeit haben, stark, sehr stark sein können, ohne dabei ihre Weiblichkeit zu verleugnen.

Warum muss ein Krimi mit Toten enden?

Von der Geschlechterfrage direkt zur Mord und Totschlag! Er muss nicht mit Toten enden, aber die eine oder andere Leiche braucht es schon. Die Tötung eines Menschen ist das schlimmste Verbrechen, das es gibt. Es ist eine Extremsituation für alle. Eine nicht mehr rückgängig zu machende Tat. Es wirft alle Beteiligten aus der Bahn. In dieser Ausnahmesituation lasse ich meine Figuren handeln, hier kommt vieles an die Oberfläche, werden Gefühle, Triebe und Instinkte freigesetzt.

Wird zu Ihrer Lesung bei Hugendubel am 30.8. eine Romanfigur auftauchen?

Ja. Sogar doppelt. Als Romanfigur und als real existierender Mensch. Ich meine Klaus Krückemeyer, der nicht nur mit mir zusammen die Lesung gestalten wird, sondern es auch irgendwie geschafft hat, sich in die „Doppelkopf“-Handlung zu schmuggeln.

Das Interview führte Viola Bolduan.