LESUNG Christoph Maria Herbst und sein "Traum von einem Schiff" im Kulturpalast Wiesbaden
Vom 08.11.2011
Von Richard Lifka
Wiesbaden. In stürmischen Böen fegte der Wind am Sonntagabend um den Betonklotz, der sich großspurig Kulturpalast nennt, wirbelte Blätter auf und signalisierte: Der Herbst kommt. Und Herbst kam. Na ja, sicherlich kein ganz neuer Kalauer und vor allem kein so gut gelungener, wie die, die neunzig Minuten lang in dem weiträumigen Saal auf die Zuhörer herniederprasselten. Christoph Maria Herbst las albtraumhafte Begegnungen aus seinem Buch "Ein Traum von einem Schiff".
Sarkastischer Einstieg
Schon bei seinem Erscheinen tobten die zahlreich erschienenen Fans des Stromberg-Darstellers, der auch wie erwartet sarkastisch einstieg und die Gäste begrüßte: "Freue mich hier sein zu dürfen, hier in ... wie heißt die Stadt noch gleich? Egal, jedenfalls nicht Mainz." War es Zufall, dass der scharfzüngige Schauspieler gerade an diesem Abend in Wiesbaden weilte, an dem aus der Stadt auf der anderen Rheinseite die Jubiläumsfolge von "Das Traumschiff" ausgestrahlt wurde? Denn es war das ZDF, das per Gerichtsbeschluss ein Verbot des Buches durchsetzte, das seit Februar mit geschwärzten Passagen wieder im Handel ist.
Was Herbst darbot, war die Interpretation seiner traumatischen Erlebnisse rund um die Dreharbeiten zu einer Fernsehfolge "Das Traumschiff". Ein Heer von sabbernden und muffelnden Greisen schienen sich auf dem Deck des Luxusschiffs versammelt zu haben. Zugegebenermaßen erscheint seine literarische Verarbeitung manchmal derb und heftig (MS stehe für Mumienschlepper), teilweise als angriffslustige Kollegenschelte (manche konnten ihren Text aus "hochprozentigen" Gründen nicht), ansonsten war es ein wohl inszeniertes Gewitter aus geistreichen Wortspielen, humorvollen Slapstickszenen und sehr viel Selbstironie (".danach klang meine Würde nach Konjunktiv").
Fast auswendig gespielt
Denn das war es, eine Inszenierung, weit entfernt von einer Lesung, wie man sie üblicherweise erwartet. Fast auswendig spielte er vor, was er geschrieben hatte, vor allem aber auch, was nicht im Buche steht. Das luftverbrennende Lachen des Produzenten Wolfgang Rademann wirkt gelesen sicherlich weniger humorvoll, genauso wie der Dialog in einer Drehpause auf der MS Deutschland zwischen einem aus der Eifel stammenden Metzger, der unbedingt Schauspieler werden will und für Christoph Maria Herbst so zur Lachnummer wird. Ärgerlich war eigentlich nur, dass es keine Werbeunterbrechungen gab, wie es der Stromberg-SerienLiebhaber scheinbar gewohnt ist, denn es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen des Publikums, wohin auch immer. Aber, um frei nach Herbst zu enden: Dies ist das Leben und das Leben ist ein Glück.