Montag, 12. März 2007

Am Tag die Stadt erkunden und in der Nacht schreiben

Die Stipendiaten des Hessischen Literaturrats in Wiesbaden
von Richard Lifka

WIESBADEN Unterschiedlicher könnten sie nicht sein. Auf der einen Seite die in Kanada geborene und in Bordeaux lebende Mariane Fiori, auf der anderen der in Vilnius beheimatete Marius Ivaskevicius. Beide Schriftsteller und als Stipendiaten des Hessischen Literaturrates zu Gast in Wiesbaden.
Sie habe sich die Stadt erwandert, ohne Ziel sei sie losgegangen, um dort zu verharren, wohin ihre Füße sie trugen, schildert Mariane Fiori mit leiser Stimme die Eindrücke ihres zweimonatigen Aufenthalts in der Landeshauptstadt. Ihr sei aufgefallen, dass im Krieg wenig zerstört worden sei, die Stadt habe ihre Atmosphäre behalten, im Vergleich zu Frankfurt oder Offenbach beispielsweise, wo sie zu Lesungen war. Das Thema Zweiter Weltkrieg beschäftigt sie. Sie gehöre zu der Generation, die in den 80er Jahren in Frankreich begonnen habe, die Rolle des Vichy-Regiems aufzuarbeiten, über das Schicksal der Juden öffentlich nachzudenken. Deshalb spiele ihr Roman "Junges Blut" (1989 in Frankreich, übersetzt 2002 bei dtv) in den 40er Jahren. Dafür habe sie intensiv recherchiert. Mittlerweile hat sie fünf Theaterstücke geschrieben, Texte für Kinder, Oper und Ballett. Aber nicht nur Literatur und Theater interessiert sie. Neben dem Studium hat sie eine Ausbildung als Trapez-Artistin und Barock-Tänzerin absolviert.
Ganz anders der offene und selbstbewusste Litauer. Drei Mal war er schon in Wiesbaden. Schließlich ist er der litauische Pate für die Wiesbadener Theaterbiennale "Neue Stücke aus Europa". Marius Ivaskevicius, einer der bedeutendsten Gegenwartsautoren Litauens, Journalist, Prosa- und Drehbuchautor, Dramatiker und Regisseur fühlt sich wohl in Wiesbaden. Zwar kann er sich nicht vorstellen, hier zu wohnen, dafür sei ihm die Stadt zu klein. Dennoch war dieser Aufenthalt im Rahmen des Stipendiums für seine schriftstellerische Arbeit anregend und nicht mit den anderen `Gastspielen´ zu vergleichen. Während der Biennale komme er eben kaum aus dem Theater heraus. Jetzt habe er Zeit gehabt, die Stadt kennen zu lernen, herumzureisen und, vor allem nachts, viel zu schreiben. Sein neuer Roman spiele zu großen Teilen in Frankfurt und die Recherche vor Ort, sei sehr motivierend.
Mit seinem Programm ist es dem Literaturrat gelungen, einen weiteren kulturellen Austausch mit europäischen Partnerregionen Hessens in die Wege zu leiten. Es ist zu hoffen, dass wir schon bald wieder Gäste begrüßen können, genauso wie hessische Künstler in die Partner-Regionen reisen werden. Mariane Fiori und Marius Ivaskevicius, so unterschiedlich sie auch sind, sie haben gemeinsam, dass sie ein Stück Wiesbaden, ein Stück Hessen mit in ihre Heimat nehmen.