Mittwoch, 20. September 2006

Metzelsupp und andere (un)gesunde Rezepte

„Tatorte Hessen kulinarisch“ – eine Krimianthologie nicht nur zum Lesen

Von Richard Lifka

20.09.2006

Seit Anfang September heißt es im Wiesbadener Kurier „Der Kurier tischt auf. Gesund essen. Fit genießen“. Aber Essen und Trinken hat auch etwas mit Leidenschaft zu tun, und das im zunehmenden Maße. Nicht nur das Zelebrieren der Speisen soll die Sinne ansprechen, auch die Zubereitung wird immer häufiger leidenschaftlich-öffentlich betrieben (Stichwort: Kochduell). Natürlich hatten und haben auch Schriftsteller zu diesem Thema etwas zu sagen beziehungsweise zu schreiben. Man denke nur an „Der Butt“ von Günter Grass oder „Es muß nicht immer Kaviar sein“ von Johannes Mario Simmel. Wie viel stärker aber trifft dies auf Krimiautorinnen und Autoren zu. Verbrechen geschehen aus Leidenschaft, sei es aus Geldgier, Eifersucht, Liebe, Hass oder einer fanatischen Überzeugung heraus. Wie viele Menschen sind schon beim oder nach dem Verzehr einer guten Speise literarisch gestorben. Nicht schlechte Küche oder gar Gammelfleisch, übrigens ein Wort, das beste Chancen hat, zum Unwort des Jahres zu werden, sind ursächlich Schuld am Hinscheiden so manchem ungeliebten Menschen. Eher sind es die unsichtbaren, nicht schmeck- und riechbaren kleinen Beigaben, die normalerweise nicht im Kochbuch stehen. Zur Essenszubereitung und zum Krimischreiben werden Rezepte und Kreativität benötigt. Was liegt also näher, Autoren zu beauftragen, eine Geschichte zu schreiben (zu erfinden?), in der ein Gericht oder ein Getränk eine gewichtige Rolle spielt. Sind es dann noch hessische Krimischreiber, die nach regionalen Spezialitäten recherchieren, kommt eine Anthologie von vierzehn geschmackvollen Kurzkrimis zustande. „Tatorte Hessen kulinarisch“, so lautet der Titel des im Frankfurter Societäts Verlag erschienen Buches. Großen Wert legte der Herausgeber Lothar Ruske auf die praktische Umsetzbarkeit der einzelnen Rezepte – Kochrezepte – und hat sie, nach eigener Aussage, auch alle selbst ausprobiert. Da er noch unter den Lebenden weilt, kann man diese Anthologie getrost seiner Kochbuchsammlung hinzufügen. Spannende Storys und leckere Kochrezepte, die im Buch auch abgedruckt sind, haben die hessischen Mitglieder der deutschsprachigen Krimiautorenvereinigung „Syndikat“ zusammengetragen. So variantenreich die Mordgeschichten sind, so unterschiedlich sind auch die Rezepte und ihre regionale (hessische) Herkunft. Ob in Frankfurt zwei Frauen sich bei „Grüner Soße“ kennen lernen und daraus eine lebensverändernde Begegnung wird, in der Rhön ein Mann seine Ex-Gattin mit vorgehaltener Waffe zwingt, ihm „Grüne Pfannkuchen“ zu machen, in Wiesbaden-Frauenstein eine peinliche Liebeserklärung bei „Armer Ritter“ ihr grausames Ende findet, beim Verzehr eines „Vogelsberger Milchzicklein“ oder bei der Zubereitung von „Metzelsupp“ (Schlachtsuppe) sich menschliche Tragödien abspielen, die Geschichten und Rezepte verdeutlichen die kriminalliterarische als auch lukullische Vielfalt Hessens. Wer nun immer noch nicht genügend Anregungen für köstlich-mörderische Gerichte hat, dem sei das im KBV Verlag erschienene Buch „Arsen und Kartöffelchen“ empfohlen, dreißig Kurzkrimis rund um die „tollen Knollen“ inklusive zehn Kartoffelrezepten.

Infos:

„Tatorte Hessen kulinarisch“; Hrsg. Lothar Ruske, Frankfurt 2006; ISBN 3-7973-1006-4
„Arsen und Kartöffelchen“ ´, Hrsg. Marita & Jürgen Alberts, Hillesheim 2006; ISBN 3-937001-94-8