Dienstag, 20. Mai 2008

„Trio mortale“ - Wiesbaden vergibt Krimistipendien

Literarischer Austausch unter den Autoren soll gefördert werden
(20.05.08) Wiesbaden - Auf Initiative von Kulturdezernentin Rita Thies wird Wiesbaden ab dem Jahr 2009 jährlich ein je vierwöchiges Aufenthaltsstipendium an drei Krimiautorinnen beziehungsweise Krimiautoren vergeben. „Trio mortale“ heißt das Motto, denn die Drei werden zu gleicher Zeit in die Stadt eingeladen. Das Stipendium ist pro Autor/Autorin mit 2.500 Euro dotiert. Die Unterkunft in den neu hergestellten Appartements im Dachgeschoss des Literaturhauses „Villa Clementine“ ist mietfrei. Zusätzlich trägt das Kulturamt die Kosten für An- und Abreise.Die Kulturdezernentin der Landeshauptstadt erläutert die Hintergründe: „Wiesbaden hat sich seit einigen Jahren mit der Etablierung des Wiesbadener Krimiherbstes und des Fernsehkrimifestivals einschließlich der Verleihung des Deutschen Fernsehkrimipreises zu einer veritablen Krimistadt entwickelt. Berühmte internationale Autorinnen und Autoren, wie Doris Gercke, Ingrid Noll, Sara Paretsky, Polina Daschkhova, Veit Heinichen, Frank Schätzing oder Felix Huby waren auf Einladung des Wiesbadener Literaturhauses beziehungsweise des Kulturamtes ebenso zu Gast wie Autoren aus Wiesbaden oder der Region, wie etwa Alexander Pfeiffer und Richard Lifka oder Jan Seghers. Das Programm des Krimiherbstes wird außerdem von zahlreichen Wiesbadener und regionalen Kulturinstitutionen, Buchhandlungen und Verlagen durch Krimipreise und Veranstaltungsreihen bereichert. Dass der Krimi ein hochaktuelles Genre ist, zeigt sich daran, dass er sich als sensibler Seismograph für im Wandel begriffene gesellschaftliche Wertvorstellungen erwiesen hat und auf aktuelle und kontrovers diskutierte Themen reagiert“.Das Aufenthaltsstipendium vermag das Schreiben von Krimis nachhaltig zu fördern. Die Autorinnen und Autoren können die in dieser Zeit gesammelten Eindrücke in Plots erproben, sich untereinander und mit Schriftstellern aus Wiesbaden und der Region austauschen. Außerdem entsteht dadurch ein Forum in der Stadt, das die Autoren in Kontakt mit den Lesern bringt. Dazu kommt, dass Wiesbaden als Stadt für Autoren durch das Bundes- oder auch das Landeskriminalamt interessante Recherchemöglichkeiten bietet. In diesem Sinne vermag dieses genrespezifische Stipendium die deutschsprachige Literaturlandschaft zu bereichern.Ziel dieses bewusst auf vier Wochen begrenzten Aufenthaltsstipendiums ist es, die Entstehung von Kriminalliteratur sowie den professionellen Erfahrungsaustausch unter Krimiautorinnen und -autoren zu fördern. Die drei Stipendiaten sollen nämlich gleichzeitig die Stipendiatenwohnungen im Literaturhaus Villa Clementine beziehen, damit der literarische Austausch unter den Autoren gefördert werden kann – außerdem sollen die Stipendiaten durch honorierte Lesungen im Literaturhaus oder Schreibworkshops in die literarische Szene der Stadt eingebunden werden. Darüber hinaus soll von den im Zeitraum von drei Jahren geförderten Autorinnen und Autoren, insgesamt neun Personen, während ihres Aufenthaltes ein Krimi geschrieben werden. Eine Geschichte, in der die spannende Suche nach dem Täter an bekannte Orte in und um Wiesbaden führt oder von diesen inspiriert ist. Mit dem Einstieg in den Krimi wird ein/e bekannte/r Autor/in beauftragt; die Geschichte wird dann durch die Stipendiaten während ihres Aufenthaltes weitergeführt. Insgesamt arbeiten so zehn Autorinnen/ Autoren an einem Buch. Die Stadt Wiesbaden erhält von den Autoren das Recht zum einmaligen Abdruck dieses Krimis.Die Vergabe der Stipendien erfolgt nach inhaltlichen und qualitativen Gesichtspunkten: Ziel ist es, sowohl erfolgreichen als auch noch eher unbekannten Autorinnen/Autoren ein Forum für den Austausch untereinander als auch mit dem Publikum zu schaffen.„Geplant ist, dass die ersten Aufenthaltsstipendien im Frühjahr 2009 an Mitra Devi, Tatjana Kruse und Oliver Bottini gehen, die beim Krimiherbst 2007 mitgewirkt“, sagt Dezernentin Thies. (hbh)

Freitag, 16. Mai 2008

Die lakonische Erzählung einer Existenzvernichtung

Annette Pehnt las im Museum aus ihrem Roman „Mobbing“
Von Richard Lifka

Zwischen „Schwalbenflug der Sonne entgegen“ und „In der Weltkugel gefangen“, Bildern der Malerin Rebecca Horn, saß die diesjährige Inhaberin der „Poetikdozentur: junge Autoren“ der Wiesbadener Fachhochschule Annette Pehnt und stellte ihren Roman „Mobbing“ vor. Da das Literaturhaus wegen Renovierungsarbeiten geschlossen ist, wurde die Veranstaltung ins Museum verlegt. Atmosphärisch und optisch sicherlich ein Genuss, akustisch eine Qual. Trotz Mikrofon und Verstärkeranlage (oder gerade deswegen?) flogen viele Wörter und Sätze vielleicht der Sonne entgegen, aber nicht in die Gehörgänge der vielen Besucher. Das war schade, denn die Autorin hatte viel zu erzählen, animiert durch sehr gezielte Fragen der gut vorbereiteten Moderatorin Shirin Sojitrawalla. Das Gespräch machte deutlich, warum das aktuelle Werk der in Köln geborenen Autorin, in der Kritik so unterschiedlich aufgenommen wurde. Einerseits beteuerte Pehnt, dass die Distanz zum Thema große Bedeutung habe, um ordentlich mit der Sprache umgehen zu können, andererseits gestand sie, dass sie selbst mit einem Fall von Mobbing in der eigenen Familie konfrontiert worden sei, auch noch während der Arbeit an diesem Buch. So erinnert eine Kritikerin der „Zeit“ „Mobbing“ eher an einen Ratgeber als an die „Sphäre überlebensfähiger Prosa“, wohingegen in der „FAZ“ zu lesen war: Erst bei aufmerksamer Lektüre bemerkt man, die „subtile Raffinesse, mit der Pehnt hier schreibt“. Genau diese Widersprüchlichkeit macht das kleine Büchlein so interessant. Durch die subjektive Sichtweise, nicht des Mobbing-Opfers, sondern dessen Ehefrau und den unspektakulären Erzählstil, bleibt das Thema in der Schwebe, auch über den Schluss hinaus. All unser Wissen stammt vom Opfer. Von ihm erfahren wir, warum es sich gemobbt fühlt. Glauben wir ihm? Die vorgelesenen Passagen verdeutlichten jedenfalls sehr eindrucksvoll, wie dieses Phänomen unserer modernen Gesellschaft die Betroffenen zerstören und Familien vernichten kann.
Info: Annette Pehnt: "Mobbing", Piper Verlag, 160 Seiten, 16,90 Euro